Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
setzt, nicht nur seltener enttäuscht, er ist auch bereits vorher in einem weniger erregten Zustand, weil er ja seine Erwartungen niedriger angesetzt hat. Er pendelt also im Unterschied zum träumerischen Optimisten nicht permanent zwischen extremen Gefühlen hin und her, was nicht nur psychisch, sondern auch physiologisch entspannender für ihn ist.
Mittlerweile belegen diverse Studien, wie schädlich ein übertriebener, zur Selbstüberschätzung neigender Optimismus für die Gesundheit ist. So fanden die amerikanischen Psychologen Richard Robins und Oliver John unter Menschen mit dieser Eigenschaft besonders viele Narzissten. Was durchaus einleuchtet, denn der selbstverliebte Narzisst und das omnipotente Glückskind, dem alles gelingt und das daher auf die Zuwendung anderer Menschen verzichten kann – das passt einfach zusammen. In anderen Studien zeigte sich, dass rettungslose Optimisten zu einem ungesunden Lebensstil neigen. Was ebenfalls logisch ist, denn wer glaubt, dass ihm nichts passieren könne, wird leichteren Herzens riskante
Aktionen und Lebensweisen wählen als jemand, der sich für verletzlich hält.
Besonders viele rettungslose Optimisten finden sich unter Rauchern und Alkoholikern, die hartnäckig an der Überzeugung festhalten, dass Lungenkrebs und Leberzirrhose sie schon nicht treffen wird. Womit der übertriebene Optimismus endgültig zu einer lebensverkürzenden Größe wird. In einer Untersuchung an partyfreudigen Studenten offenbarte sich, dass diejenigen, die von sich glaubten, besonders viel Alkohol vertragen zu können, nach Trinkgelagen besonders oft auffällig wurden. Beispielsweise dergestalt, dass sie betrunken Auto fuhren oder sich in Schlägereien verwickelten. Wobei sich dies gleich aus zwei unmittelbaren Folgen des unrealistischen Optimismus ableiten lässt: einerseits daraus, dass die betreffenden Studenten sich als trinkfester einschätzten, als sie es eigentlich waren, und andererseits dadurch, dass ihr ohnehin schon großes Selbstbewusstsein durch die enthemmenden Wirkungen des Alkohols endgültig zum Größenwahn eskalierte.
Rebecca Ferrer vom National Cancer Institute im amerikanischen Rockville fand bei unrealistischen Optimisten eine starke Neigung zur Arteriosklerose, was vermutlich an ihren hohen Stresshormonpegeln liegt. Konkret bedeutet dieser Befund: Wer sich selbst für unschlagbar und unverletzlich hält, wird eher am Herzinfarkt sterben als andere Menschen.
Einen indirekten Nachweis für die lebensverlängernde Wirkung des ambitionierten Realismus liefert auch der Fakt, dass in Japan die Menschen älter werden als in den USA. Ein Forscherteam der University of Iowa konnte nämlich mit Hilfe unterschiedlicher Fragebögen nachweisen, dass im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mehr unrealistische Optimisten leben als im Land der aufgehenden Sonne, wo man mit den Füßen eher auf dem Boden der Tatsachen bleibt. Sicherlich gibt es – das haben wir ja auch schon gesehen – noch viele andere Ursachen für die vielen Hundertjährigen in Japan,
etwa Erbgut und Zen-Buddhismus sowie Soja, Grüntee und Fisch auf der Speisekarte, doch vernachlässigen sollte man den Aspekt des ambitionierten Realismus keineswegs. Denn dass umgekehrt in einem konsum- und erfolgsorientierten Land wie den USA, wo immer noch der Tellerwäscher-zum-Millionär-Traum in den Köpfen herumspukt, besonders viele unrealistische Optimisten leben, klingt auch ohne den aus Iowa gelieferten Beweis logisch.
Die französische Psychologin Isabelle Milhabet konnte schließlich nachweisen, dass utopische Optimisten bei anderen Menschen ein ziemlich schlechtes Image besitzen. Auch diesen Aspekt sollte man in Bezug auf die Gesundheit nicht ignorieren, insofern eine schlechte soziale Akzeptanz bekanntermaßen die Abwehrkräfte eines Menschen schwächt. Laut Milhabet gelten utopische Optimisten als Träumer und Schaumschläger, denen man nicht glauben kann und die daher auch keinen sonderlichen Respekt ernten. Im Unterschied zu den realistischen Optimisten und den – man höre und staune – unrealistischen Pessimisten. Wer also bei seinen Mitmenschen gut ankommen will, sollte entweder gut drauf sein und mit seinen Zielen und Zukunftsperspektiven auf dem Teppich bleiben, oder richtig schlecht drauf sein und mit seinen Zielen und Zukunftsperspektiven konsequent danebenliegen. Was in Anbetracht einer Examensarbeit beispielsweise bedeuten würde: Wer bei seinen Kommilitonen im Ansehen steigen will, sollte
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