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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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dass man sich nicht dauernd neue Bedürfnisse einreden, sich nicht von Einflüsterungen cleverer Marketing- und Werbestrategen manipulieren lässt. Dazu gehört aber auch, dass man den langen Willen über den kurzen Willen stellt .

    Ein Beispiel aus dem Alltag soll verdeutlichen, was damit gemeint ist. Angenommen, Sie müssen eine Arbeit fertig stellen, die viel Zeit von Ihnen fordert. Doch an dem einen Abend kommt ein Freund zu Ihnen, um Sie zu einem Zug um die Häuser einzuladen. An einem anderen Abend kommt ein spannendes Fußballspiel im Fernsehen, am nächsten Morgen steht jemand vor der Haustür, um Sie zum Windsurfen mitzunehmen. Sie wissen genau: Wenn Sie diesen Einladungen und Verlockungen folgen, wird es für Sie und Ihre Arbeit eng. Dennoch verhalten sich viele von uns so, dass sie nicht absagen, sondern nachgeben und ihre Pflichten verschieben. Mit der Konsequenz, dass sie ihre Arbeit nicht rechtzeitig fertigstellen können. Die Freizeitbeschäftigungen können sie jedoch auch nicht genießen, weil die unerledigte Arbeit noch im Hinterkopf herumspukt. Was abermals zeigt, wie die hektische Suche nach Spaß letzten Endes dazu führt, dass kein Spaßgefühl entstehen kann. Hätte man hingegen auf die Verlockungen verzichtet oder sie verschoben, wäre man für diese kurzfristigen Entsagungen langfristig mit dem befriedigenden Erfolg seiner abgeschlossenen Arbeit belohnt worden. Danach hätte man außerdem seine Zerstreuungen unbeschwert genießen können, was noch einmal Vergnügen bereitet hätte. Der »lange Wille«, ein Projekt gewissenhaft, konzentriert und organisiert zu Ende zu bringen, bringt am Ende nicht nur mehr Erfolg, sondern auch mehr Spaß als der Zick-Zack-Wille des Hedonisten, der sich von spontanen Bedürfnissen und deren Befriedigung leiten lässt.
    Und es gibt weitere Belege dafür, dass ein gewissenhafter Mensch weniger Langeweile in seinem Leben erfährt. Denn er macht die Dinge, die er macht, »richtig«, mit voller Hingabe und Konzentration. Dadurch gerät er in den sogenannten »Flow«, den sein Entdecker, der amerikanische Psychologe Mihály Csíkszentmihályi, wie folgt beschrieben hat: »Der Begriff beschreibt einen Zustand, in dem ein Mensch mit seiner Tätigkeit verschmilzt. Die Konzentration und das Gefühl der
Kontrolle sind hoch, man scheint wie von einer Energiewelle getragen, das Zeitgefühl ändert sich.« Wohl jeder hat dieses Gefühl schon mal erlebt, beispielsweise als spielendes Kind, vielleicht aber auch noch als Erwachsener, etwa bei der Gartenarbeit oder beim Malen.
    Prinzipiell kann man den Flow bei jeder Tätigkeit erleben, also auch bei der Fließbandarbeit oder dem Geschirrspülen. »Nicht der Inhalt macht eine Flowaktivität aus, sondern eine bestimmte Qualität«, so Csíkszentmihályi. Dazu gehört vor allem, dass konkrete Ziele vorgegeben sind, die Rückmeldungen sofort erfolgen und man sich nicht ablenken lässt. Dann verstreicht die Zeit wie im Flug. Nach dem Flow fühlt man sich, wie Csíkszentmihályis Testpersonen berichten, wie neugeboren  – und solche Empfindungen sind wohl der größtmögliche Gegensatz zum lähmenden Vakuum der Langeweile, in dem sich die Zeit zieht wie ein endloses Kaugummi. Abgesehen davon, dass ein gewissenhafter Mensch in der Regel auch länger mit einer Sache beschäftigt ist, was letzten Endes nichts anderes bedeutet, als dass ihm weniger Zeit bleibt, um sich zu langweilen. Oder um es plakativ auszudrücken: Wer viel tut, kann weniger nichts tun und sich dabei langweilen.
    Menschen mit ihren ausgeprägten Sekundärtugenden mögen also nach außen hin langweilig wirken, doch innerlich sind gerade sie es, die am wenigsten Langeweile empfinden. Konkrete Beispiele dafür gibt es zuhauf. Kaum vorstellbar, dass sich Bertrand Russell und Immanuel Kant jemals in ihrem Leben gelangweilt haben. Letzterer prophezeite denjenigen, die ohne Arbeit ziellos durchs Leben driften, ein »Verschmachten vor Langeweile«. Joseph Heesters begründete seinen niemals ermüdenden Arbeitseifer mit seiner »Angst vor der Langeweile, die hoffentlich niemals kommen wird«. Von der dicken Harriet wissen wir zwar nicht genau, ob sie sich langweilte, doch ihre Tierpfleger berichteten, dass sie stets wach und guter Dinge war, was schon ein recht deutlicher Hinweis auf ein erfülltes Leben ist. Und Jeanne Calment sagte, dass sie,
obwohl nicht zu regelmäßiger Arbeit gezwungen, immer irgendwie beschäftigt gewesen sei. Das Leben der genannten Menschen und

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