Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
Vom Netzwerk:
Duncan rieb sich die Augen, um die letzten Spuren des Schlafs zu vertreiben, und schaute Marion erneut an.
    »Entschuldige, ich dachte, du …«
    Plötzlich beschlich die junge Frau der unangenehme Verdacht, dass vielleicht in Glencoe jemand auf ihn wartete, und merkwürdigerweise verdross sie das. Aber er ist ein Macdonald!, sagte sie sich lautlos.
    »Konntest du ein wenig schlafen?«, erkundigte er sich, schlang das Plaid über seine Schulter und befestigte es mit seiner Brosche.
    »Ja, danke.«
    »Gut, dann müssen wir auch bald aufbrechen. Ich soll dich doch nach Finlarig Castle bringen.«
    Er stand auf und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr zu helfen, ebenfalls auf die Beine zu kommen.
    »Wir müssten eigentlich noch etwas zu essen in den Satteltaschen haben.«
    Marion zog ihre feuchte, verknitterte Kleidung zurecht und kämmte sich das widerspenstige Haar mit den Fingern, um es dann im Nacken zusammenzuknoten, wie es ein Mann getan hätte. Sie trug zwar gern Hosen, weil sie ihr größere Bewegungsfreiheit ließen und im Vergleich zu den zahlreichen Lagen aus Leinen und Wolle, aus denen Röcke bestanden, leicht waren, doch konnte sie es kaum erwarten, wieder richtige Kleider anzuziehen. Aber im Moment musste sie eben so zurechtkommen.
    Sie verschwand für einige Zeit im Schutz des Nebels und des bunt belaubten Pflanzenwuchses, um ihre morgendlichen Waschungen vorzunehmen. Als sie zurückkehrte, reichte Duncan ihr Brot, Käse und einen Apfel. Sie verzehrten ihr spärliches Frühstück und kletterten dann auf ihre Pferde, ohne einander anzusehen.

    Der düstere Himmel von Killin schien tief über ihren Köpfen zu hängen. Kein Zweifel, dieses Jahr erlebten sie einen trüben
Herbst. Marion hatte auf Breadalbanes Sitz niemanden angetroffen. Der Earl war vor zwei Tagen eilig von Finlarig nach Drummond Castle aufgebrochen, wo sich der Earl of Mar aufhielt. Daher hatten die jungen Leute beschlossen, im »Grey Owl«, einer kleinen Herberge auf der Straße nach Killin, Halt zu machen, um sich zu stärken und ein wenig auszuruhen.
    Marion war schlecht gelaunt. Nach Drummond Castle zu reiten hatte nicht zu ihren Plänen gehört. Ebenso wenig, wie sie vorgehabt hatte, mit diesem Mann, der ihr zu ihrem großen Kummer partout nicht aus dem Kopf gehen wollte, durch die Lande zu ziehen. In diesem Moment hätte sie alles gegeben, um sich nur wenige Meilen entfernt zu Hause auf Chesthill wiederzufinden, vor einer Tasse heißem gewürztem Apfelwein an einem schönen Feuer und in das Plaid der Campbells gehüllt. Natürlich würde sie ein Kleid tragen, nachdem sie ein heißes Bad genommen hatte. Sie schluckte ihren letzten Bissen Hering herunter. Eines hatte sie noch vergessen: Amelias köstlichen Rinderbraten.
    Sie hatten sich in eine ruhige Ecke im Gastraum gesetzt. Die Uniform zog ein paar neugierige Blicke auf sich, doch sie achtete nicht darauf. Sie musste allerdings zugestehen, dass es möglicherweise einen merkwürdigen Eindruck machte, dass ein Macdonald von einem jungen Soldaten der Krone begleitet wurde. Die Leute hielten sie sicherlich für einen Spion. Pah! Sie konnte ohnehin nichts dagegen tun. Duncan stellte einen Krug Bier vor sie hin und nahm mit seinem eigenen Getränk ihr gegenüber Platz.
    »Ich habe ein Zimmer genommen«, verkündete er und sog an dem Schaum, der überzulaufen drohte.
    »Ein Zimmer?«
    »Ich werde natürlich im Stall schlafen«, erklärte er, als hätte er ihre Befürchtungen erraten. »Mehr kann ich mir im Moment nicht leisten.«
    »Aber ich dachte, wir wollten gleich wieder nach Drummond Castle aufbrechen?«
    Mit einer Kopfbewegung wies er auf das Fenster hinter ihr, das so schmutzig war, dass man kaum hindurchsehen konnte.

    »Bei diesem Wetter? Es fängt an zu regnen, und ich dachte, nach drei Nächten im Freien würdest du gerne in einem richtigen Bett schlafen. Außerdem erreichen wir Drummond Castle vor Einbruch der Nacht nicht mehr.«
    Er betrachtete sie mit undeutbarer Miene und zog mit dem Zeigefinger zerstreut Kreise auf der Tischoberfläche, deren Sauberkeit ziemlich zweifelhaft war.
    »Nun ja, es stimmt, dass ich während der letzten Tage sehr wenig geschlafen habe.«
    Sie steckte ebenfalls die Nase in ihren Krug und nahm einen tiefen Zug von dem erfrischenden Getränk. Dann fuhr sie fort, wobei sie seinem Blick bewusst auswich.
    »Ich wollte dir noch danken. Auf dem Schiff … Ich hätte im Boot bleiben sollen.«
    Er antwortete nicht gleich. Als das Schweigen sich in die Länge

Weitere Kostenlose Bücher