Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
Ich
habe vor Sonnenuntergang noch eine Liefertour zu machen, und dann bin ich in
der Stadt zum Abendessen verabredet.“
Inzwischen konnte sie kaum erwarten, hier
wegzukommen, aber warum hatte sie das Gefühl, dass sie sich diesem Kerl gegenüber
rechtfertigen musste? Ihm konnte doch egal sein, warum sie es jetzt so eilig
hatte, hier wegzukommen.
Alex schnippte leise mit den Fingern und rief Luna.
Man musste der Wolfshündin zugutehalten, dass sie herübergetrottet kam, ohne
absolut untröstlich zu wirken, weil man sie von ihm weggerufen hatte.
„Ich werde Officer Tucker wissen lassen, dass Sie
heute hier waren“, fügte sie hinzu. Es konnte nicht schaden, ihn wissen zu
lassen, dass sie gute Beziehungen zur Polizei hatte.
„Tun Sie das, Alex.“ Er fläzte nach wie vor auf dem
Sofa des alten Toms und machte keine Anstalten aufzustehen. „Seien Sie
vorsichtig da draußen. Man sieht sich.“
Alex entging das Grinsen nicht, das sich langsam
auf seinem Gesicht ausbreitete, als sie Luna am Halsband nahm und mit ihr zur
Tür der Blockhütte ging. Obwohl sie nicht wagte, sich umzusehen, spürte sie
diese Quecksilberaugen noch hinten im Nacken, als sie mit Luna auf ihr
Schneemobil sprang und den Motor anließ. Sie war schon ein paar Hundert Meter
gefahren, als sie aus heiterem Himmel ein Gedanke traf.
Sie hatte nirgendwo in der Nähe einen anderen
Schlitten gesehen.
Also wie zum Teufel hatte er bloß die vierzig
Meilen aus Harmony hierher geschafft,
den ganzen Weg durch die Wildnis?
7
Kade wartete die paar Stunden Tageslicht in der
Blockhütte der Toms ab.
Sobald es für ihn mit seiner UV-Licht-empfindlichen
Stammeshaut sicher war, nach draußen zu gehen, machte er sich ein weiteres Mal
zu Fuß auf den Weg, dieses Mal zum zehntausend Morgen großen Anwesen seiner Familie
nördlich von Fairbanks.
Er fragte sich, welcher Empfang ihn im Dunklen
Hafen seines Vaters wohl erwartete - ihn, den verlorenen Sohn, das unverfrorene
schwarze Schaf der Familie, das vor einem Jahr ohne Entschuldigung oder
Erklärung verschwunden war und nie zurückgeschaut hatte. Er hatte durchaus
Schuldgefühle deswegen, aber er glaubte nicht, dass ihm das jemand abkaufen
würde, wenn er es zugab.
Er fragte sich, ob Seth dort sein würde, wenn er
ankam, und wenn ja, was sein Bruder zu den brutalen Morden sagen würde. Und
dass der Orden ausgerechnet Kade aus Boston zurück nach Hause beordert hatte,
um die Morde zu untersuchen.
Aber vor allem fragte sich Kade, was Alexandra
Maguire zu verbergen hatte.
Er besaß genug persönliche Erfahrung mit
Geheimniskrämerei, um zu wissen, dass die attraktive junge Buschpilotin mehr
über die Morde wusste, als sie zugab. Sie war nicht ganz ehrlich gewesen -
weder mit den Anwohnern noch der Polizei noch vorhin mit ihm. Womöglich nicht
einmal sich selbst gegenüber.
Er hätte ihr stärker zusetzen können, als er sie
bei der Ansiedlung der Toms getroffen hatte, um die Wahrheit aus ihr
herauszuholen, aber Alex schien ihm nicht der Typ, der sich gegen seinen Willen
zu etwas zwingen ließ. Kade würde ihr Vertrauen gewinnen müssen, um an die
Informationen zu kommen, die er von ihr haben wollte.
Vielleicht musste er sie dazu sogar verführen - ein
Gedanke, der ihn definitiv zu sehr interessierte. Klar. Ein Knochenjob, sich an
Alexandra Maguire ranzumachen. Wenn nur alle seine Missionen so schweißtreibend
wären.
Mit den Gedanken, wie er sie das nächste Mal
anpacken würde, wenn er sie sah, vergingen die Stunden und Meilen wie im Flug.
Praktisch im Handumdrehen hatte er das riesige bewaldete Gebiet voll
unberührter Wildnis erreicht, das sich seit Jahrhunderten im Besitz seiner
Familie befand. Vom vertrauten Duft der Wälder und der Erde, die unter ihrer
Schneedecke schlief, wurde ihm eng um die Brust. So lange Zeit war dieses weite
Land sein Zuhause, sein Königreich gewesen.
Wie oft waren er und Seth wild und ausgelassen
durch diesen Wald gerannt, Kampfgefährten, die jungen Prinzen dieses Reiches?
Zu oft, um sich daran zu erinnern.
Aber Kade erinnerte sich an die Nacht, in der die
Idylle ihrer gemeinsamen Kindheit zu Ende gegangen war. Er spürte, wie dieser
Augenblick immer noch auf ihm lastete, als sich beim Anblick der weitläufigen
Ansammlung von handbehauenen Blockhäusern, die den Dunklen Hafen seines Vaters
bildeten, der eisige Griff des Grauens schwer um seinen Nacken schloss.
Anders als die meisten zivilen Vampirgemeinschaften
verfügte dieser Dunkle Hafen weder über einen
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