Lass es bloss nicht Liebe sein
paar von seinen– sagen wir mal– Konkurrenten würden ihre Finger nämlich auch gern an die Sache dran bekommen. Es ihm abjagen, sozusagen. Das darfst du auf gar keinen Fall unterschätzen.«
William seufzte insgeheim. » Der Typ, der es hat, ist Besitzer eines Antiquariats. Es scheint, als hätte er die Mücke gemacht. Seine Freundin will die Polizei einschalten.«
Thomas war für eine kurze Weile stumm, dann sagte er: »Das soll sie schön bleiben lassen. Die Geschichte muss geheim bleiben. Das ist dir doch klar, oder? Kleiner Tipp: Lass dich bloß nicht von den anderen Interessenten austricksen, ansonsten hast du wie üblich freie Hand.«
William steckte sein Handy zurück in die Sakkotasche. Nach diesem Anruf drängte sich ihm der dunkle Verdacht auf, dass die Geschichte anfing, kompliziert zu werden.
Vom Herumsitzen und Heulen wurde es auch nicht besser, seufzte Lily. Sie trank tassenweise Kaffee und beantwortete E-Mail-Anfragen, und ihr fiel zunehmend die Decke auf den Kopf. Zumal in einem Antiquariat in der Regel nicht viel los war. Versucht, William anzurufen, griff sie nach dem Handy und zog ihre Hand wieder weg. Was interessierte ihn ihre emotionale Verfassung? Ihm ging es um das Buch, und dann wäre er wieder weg. Er wäre freundlich-distanziert wie immer, geschäftsmäßig-professionell eben. Was sie brauchte, war eine starke Schulter zum Kuscheln und Ausweinen, aber das durfte sie sich geflissentlich abschminken. Folglich beschloss sie, sich mit Arbeit abzulenken.
Sie schleppte eine Kiste Bücher vom Wohnzimmer nach unten und begann, die Titel durchzusehen. Sie staubte sie ab, tippte die Daten in den Computer, klebte Preisschildchen drauf und stellte sie ins Regal. Sie arbeitete sich durch drei Bücherkisten, legte bei jeder Kiste eine andere CD ein. Sie hörte Mozart, Puccini und Leonard Cohen. In der Zwischenzeit gingen mehrere Anfragen ein, und sie verkaufte einen kompletten Satz Spectator -Zeitungen, in Leder gebunden, aus dem 17 . Jahrhundert. Das hob ihre Laune.
William schaute am Abend vorbei. Er interessierte sich natürlich brennend dafür, ob Robbie sich inzwischen gemeldet hatte.
» Nichts Neues, bedaure. Ich hab weder ein abgeschnittenes Ohr von ihm in der Post gehabt noch einen zusammengeklebten Erpresserbrief. Aber mal was anderes: Hätten Sie nicht vielleicht Lust auf einen kleinen Spaziergang?«
Er nickte zustimmend. Folglich nahm sie den freudig kläffenden Otto an die Leine, und sie zogen los.
Dass Robbie noch nicht wieder aufgetaucht war, alarmierte William und machte ihn zugleich ratlos. Entweder hatte Robbie sich mit dem Buch aus dem Staub gemacht, oder einer von Thomas’ so genannten Interessenten war ihm auf die Spur gekommen. Beide Szenarien boten unangenehme Aussichten.
Für den Moment konnte ihn jedoch nichts schocken. Er schlenderte gut gelaunt neben Lily her. Er hatte ein Gedicht abgeschrieben und den Zettel in die Jackentasche gesteckt. Immer wenn er eine Minute Zeit hatte, nahm er ihn heraus und rezitierte leise, den ersten Vers konnte er schon fast auswendig. Noch ein paar Stunden Trockenübungen vor dem Badezimmerspiegel– und er wäre perfekt. Zumindest arbeitete er daran.
Zu dumm! Ausgerechnet heute bat sie ihn nicht um ein Gedicht.
» Was machen Sie eigentlich so, wenn Sie mich gerade mal nicht verhören?«
» Ich verhöre Sie nicht– empfinden Sie das etwa so? Das war nie meine Absicht, und wenn es bei Ihnen so rüberkommt, bitte ich um Entschuldigung.«
» War bloß ein Scherz. Aber was machen Sie so? Schließlich sind Sie nicht von hier, und ich nehme mal an, das ist Ihr einziger Job, oder?«
» Ich verfolge Spuren und unterhalte mich mit Leuten, alles ganz zivilisiert.«
» Und was ist mit der Knarre?« Lily blieb stehen, da Otto zu einem geparkten Auto zog, weil er vermutlich irgendeinen aufregenden Duft witterte.
» Die ist bisweilen nützlich, um damit eindrucksvoll herumzufuchteln. Benutzt hab ich sie allerdings noch nie wirklich.«
» Was machen Sie sonst noch?«
» Sie sind verdammt neugierig«, konterte er.
Otto hatte wohl genug geschnüffelt, denn er hechtete wieder los, und sie gingen weiter.
» Tja, das kommt davon, wenn man den ganzen Tag in einem Laden herumsitzt und die Passanten auf der Straße beobachtet. Ich sitze da und überlege, was sie wohl so machen.«
» Ich mache das, was andere Leute auch tun, wenn sie frei haben, nämlich schlafen, essen, lesen, aufräumen. Alles nicht besonders aufregend. Ich wohne in einem
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