Lass es bloss nicht Liebe sein
Und was machen wir dann?«
» Wir verkriechen uns oben im Bett und wärmen uns erst mal auf«, giggelte sie und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Nasenspitze.
Er gab ihr keine Antwort, sondern blieb für eine lange Weile stumm. Seine Hände streichelten über ihren Körper, er glitt aus ihr heraus.
» Nein. Wir dürfen das nicht mehr machen«, erklärte er schließlich.
» Was? Wieso nicht?« Sie hob den Kopf.
» Weil ich einen Job zu erledigen habe und weil du momentan sehr verletzbar bist. Ich muss entsprechende Distanz wahren; ich kann keine vernünftigen Entscheidungen treffen, wenn ich nur an das Eine denke. Ich könnte dich und mich sonst in Gefahr bringen.«
» Entsprechende Distanz wahren?«
Sie setzte sich so ruckartig auf, dass sie sich beinahe den Kopf an der Unterseite der Tischplatte gestoßen hätte. Er löste sich von ihr, kroch unter dem Tisch hervor, hob sein Hemd auf und streifte es über.
» Unabhängig von meinen beruflichen Erwägungen, was ist mit Robbie? Wie stellst du dir das vor, wenn du ihn wiedersiehst? Wirst du ihm erzählen… Ich meine, hast du vor, ihm zu erzählen…« Er spähte zu ihr. » Was zwischen uns gelaufen ist?«
Sie schlug die Augen nieder und fixierte ihre Füße unter dem Kimono, den sie wie eine Decke über ihren Körper gebreitet hatte. » Es ist nun mal passiert, William. Was geschehen ist, ist geschehen.«
Er stand auf und strich unschlüssig sein Hemd glatt. » Tut mir wahnsinnig leid, aber ich hab dich da in eine blöde Situation gebracht. Das mit uns beiden ist unmöglich.«
Es war zum Haareraufen mit diesem Kerl, seufzte Lily stumm in sich hinein. Sie beobachtete, wie er zur Tür lief und erneut die Schlösser untersuchte, als wären sie auf wundersame Weise aufgesprungen, während sie sich unter dem Tisch miteinander vergnügt hatten. Der umgekippte Bücherstapel neben ihr war verlockend. Alles höchst effiziente Wurfgeschosse. Sollte sie ihm eins davon an den Kopf schleudern? Vielleicht half das seinem Oberstübchen auf die Sprünge. Und er merkte, dass sie auch noch da war. Männer! Das war mal wieder typisch. Verdrängen alles, blenden ihre Gefühle aus und versuchen sich in Schadensbegrenzung, soweit das möglich ist, überlegte sie entrüstet.
William setzte sich an den Tisch, und Lily kehrte ihm den Rücken zu. Sie begann, Buchtitel zu sortieren und wieder in die entsprechenden Kisten zu packen. Wohin sie schaute, herrschte heilloses Chaos: antiquarische Bücher, geöffnete historische Stadtpläne, halb aufgerollte, seltene Landkarten und Grafiken, teilweise zerrissen.
Sie krabbelte auf allen vieren zur Hintertür, schürzte die Lippen und rief unter dem Türspalt durch: » Otto!« Der Hund schnupperte an der Tür, und sie stellte sich bildhaft vor, wie er dabei freudig mit seinem Stummelschwänzchen wedelte. Zum Glück war ihm nichts passiert. Er war zwar nur ein Hund, wenn man so wollte, aber er liebte Lily abgöttisch; sie brauchte ihn bloß zu rufen, und er ließ alles stehen und liegen und wetzte zu ihr, wich den ganzen Tag nicht von ihrer Seite. Vermutlich war er das einzige männliche Wesen, das so anhänglich war. Alle anderen hatten vermeintlich Besseres zu tun, beispielsweise Unsummen Geld zu scheffeln mit gestohlenen Kunstwerken oder mit Räuber-und-Gendarm-Spielen.
» Aaah, mein kleiner Otty-Schatz«, sirrte sie. » Mummy ist hier eingesperrt, geh und sag das Suzy. Na, geh schon, bist ein guter Junge.«
» Kann er das denn? Ich meine, versteht er…«
Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu. » Na hör mal. Er ist ein zwei Jahre alter Schnauzer mit einem Faible für Quietschspielzeug und nicht gerade Kommissar Rex!«
Damit wandte sie sich abermals ihren Aufräumarbeiten zu.
William kniete sich neben sie, um ihr behilflich zu sein.
» Lass das«, schnappte sie. » Das gehört nicht zu deinem Job.«
Sie würdigte ihn keines Blickes, weshalb er frustriert an den Tisch zurückkehrte, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und ins Leere starrte.
Er hatte das Dümmste getan, was man überhaupt tun konnte. Und bloß mit dem kleinen Kopf gedacht. Hätte er nicht mehr Selbstdisziplin beweisen und standhaft bleiben können? Ein Mann, der, wenn sich ein aufreizender Frauenhintern an seinen Schwanz presste, die Konsequenzen seines Handelns abwog und sich mit anderen Gedanken ablenkte? Stattdessen erbot er sich, sie zu wärmen, weil er das himmlische Gefühl kannte, das Nähe und Geborgenheit erzeugten. Er dachte, er könnte es
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