Lass es bloss nicht Liebe sein
oben?« Die Madonna blickte indes weiterhin in eine ungewisse Ferne, mental damit beschäftigt, für eine gute Ernte zu sorgen.
» William«, flüsterte Lily dicht über seinem blutverschmierten Gesicht. » William, komm zu dir. Reiß dich zusammen. Sie können jeden Augenblick hier sein.« Sie schüttelte ihn behutsam. » Und dieser Boden ist ein einziges Bakterienmutterschiff. Du willst doch nicht, dass sich deine Wunden entzünden, oder?«
Er rührte sich nicht. Lily ließ sich auf ihre Fersen zurücksinken. Glatte Zeitverschwendung, mit einem Bewusstlosen vernünftig diskutieren zu wollen! Sie stand auf und schaute sich nach dem Fiat um. Wenn es bloß nicht so verdammt dunkel gewesen wäre! Sobald der Mond hinter einer Wolke verschwand, sah man die Hand vor Augen nicht mehr. Sie deckte William mit dem Sakko zu, fischte die Autoschlüssel aus der Jackentasche und lief barfuß über den lehmigen Ackerboden in die Richtung, wo sie den Leihwagen am Straßenrand vermutete.
Als sie ihn schließlich fand, schloss sie die Fahrertür auf und ließ sich seufzend auf den Sitz fallen. Schöner Mist, bei dem Wagen war das Lenkrad links angebracht. Sie startete, ließ den Motor laufen und die Kupplung kommen, legte die Gänge ein, ruckelte und zuckelte langsam die Schotterpiste entlang, auf der Suche nach dem Marienaltar.
Dort fuhr sie an den Straßenrand und stürmte eilends wieder zu ihm. Er war immer noch bewusstlos. Sie lief zurück zum Wagen, holte die Flasche Wasser und ihren dünnen Seidenschal. Benetzte eine Ecke des Stoffs, wischte ihm sanft das eingetrocknete Blut von den Wangen und redete dabei hektisch auf ihn ein.
» Bitte, William, wach auf. Du darfst mich in dieser Situation nicht hängen lassen. Ich kann dich unmöglich zum Wagen schleifen, das pack ich nicht. Verdammt, komm endlich wieder zu dir, Mann.«
Die eine oder andere tiefere Platzwunde musste genäht oder zumindest geklammert werden, stellte sie besorgt fest, und er brauchte dringend ein Antibiotikum.
» So viel zum Thema Italienreise«, grummelte sie in sich hinein. » Lily Trevennen hockt mit ihrem bewusstlosen Reiseleiter irgendwo in der Pampa, spielt Krankenschwester und versucht sich ganz nebenbei als Mafiosijägerin.«
Was soll ich bloß tun?, zermarterte sie sich das Hirn. Sie konnte ihn unmöglich so liegen lassen und selbst im Auto übernachten. Um zu verhindern, dass Schmutz und Keime in die Wunden gelangten, legte sie ihm ein sauberes T-Shirt unter den Kopf, deckte das Sakko wieder über ihn und kuschelte sich eng an ihn. Es dauerte keine fünf Minuten, und sie schlief vor Erschöpfung tief und traumlos ein.
18
William rüttelte sie wach, und sie klappte widerstrebend die Lider auf. Sein Gesicht schwebte dicht über ihrem. Sie registrierte die Blutergüsse, ein blaues, zugeschwollenes Auge, die dunkel verkrusteten Flecken auf seinem Hemd und unterdrückte einen entsetzten Aufschrei. Sie hob den Kopf und blinzelte durch die aufziehende Morgendämmerung über das Feld. Die Luft war feucht vom Tau.
» Und was machen wir jetzt?«, murmelte sie unschlüssig.
» Am besten schleunigst von hier verschwinden«, meinte er.
» Wie geht es dir?«, fragte sie. » Du bist vor ein paar Stunden ohnmächtig geworden.« Sie setzte sich auf und massierte ihm den Rücken.
» Hmm, mir geht es eher mittelprächtig. Trotzdem müssen wir schleunigst von hier weg.« Er stand schwankend auf. Lily, die geistesgegenwärtig nach seinem Arm griff und ihn stützte, stolperte unter seinem Gewicht. Er atmete mehrmals tief durch, dann richtete er sich ohne ihre Hilfe auf.
» Oh nein«, seufzte er.
» Was? Was hast du?«, versetzte Lily alarmiert. Bitte, bloß nicht schon wieder irgendwelche Mafiosi, sie hatte die Nase gestrichen voll.
» Dein schönes Kleid ist hin.« Er streichelte ihren Nacken.
» Sag bloß, das ist dir aufgefallen!«, entfuhr es ihr. Ihr blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Kleine Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen, dachte sie insgeheim– anscheinend hatten die brutalen Schläge mit der Pistole irgendetwas ausgelöst, dass Mr. Eisberg Risse bekam. Anders wusste sie sich seine Reaktion nicht zu erklären.
» Klar ist mir das aufgefallen. Du kannst anziehen, was du willst, du siehst immer fantastisch gut aus. Im Übrigen gefällst du mir am besten, wenn du gar nichts anhast.«
Dann sank er zurück in den Lehm und schloss die Augen.
» Danke für das nette Kompliment, William, aber ich glaube, wir müssen
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