Lass nur dein Herz entscheiden
eine Affäre, dachte Miriam entsetzt. War das ganze Leid umsonst? Aber wie sie sich kannte, würde sie sich bald wieder fragen, wann Jay tatsächlich eine Affäre mit irgendeiner Belinda-Doppelgängerin anfangen würde.
Denn Jay hatte recht. Sie hatte wirklich nur darauf gewartet, dass er sie ebenso enttäuschte, wie ihr Vater ihre Mutter enttäuscht hatte. Leise stöhnend umfasste Miriam ihr Gesicht. Sie traute Jay nicht. Schrecklich, besonders, wenn er sich gar nicht mit Belinda vergnügt hatte.
Als das Telefon klingelte, fuhr Miriam zusammen. Sie wurde sich bewusst, dass sie untätig an ihrem Schreibtisch saß, obwohl sie so viel Arbeit zu erledigen hatte. Schnell hob sie den Hörer ab. „Mr. Thorpes Sekretariat. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Mir fallen mehrere Möglichkeiten ein“, sagte Jay belustigt.
Seine verführerisch tiefe Stimme klang sanft in Miriams Ohr. Sie räusperte sich und brachte ziemlich ruhig heraus: „Jay? Warum rufst du mich hier an? Ist irgendetwas passiert?“
„Ich muss dir leider für heute absagen. Auch die nächsten Abende kann ich nicht. Es gibt Probleme mit einem Geschäftsabschluss, deshalb muss ich nach Deutschland fliegen.“
„Das macht nichts.“ In erster Linie war Miriam erleichtert. Seit Jay in ihr Leben zurückgekehrt war, hatte sie ihn jeden Tag gesehen. Sie brauchte dringend etwas Zeit zum Nachdenken. Warum sie dafür alleine sein musste, würde er sicher nicht verstehen. Wie auch? Sie verstand es ja nicht einmal selbst.
„Macht nichts?“, wiederholte Jay trocken. „Ein wenig Enttäuschung von deiner Seite wäre mir lieber gewesen.“
„Dein Unternehmen geht vor, dessen bin ich mir bewusst“, redete sich Miriam heraus.
„Eine verständnisvolle Ehefrau“, spottete er. „Eine Seltenheit.“
„Wenn du nur anrufst, um mich zu ärgern …“
„Ich rufe an, um dich zum Mittagessen einzuladen. Ich warte unten auf dich. Um eins, in Ordnung?“
„Nein, ich kann wirklich nicht. Ich bin eben erst ins Büro gekommen. Clara ging es nicht gut, und ich bin heute Morgen zwei Stunden bei ihr geblieben. Ich arbeite die Mittagspause durch, damit ich den Rückstand aufhole.“
„Dann bleibst du eben heute Abend länger im Büro.“
„Manche Dinge können nicht warten“, widersprach Miriam energisch.
Sie ärgerte sich über Jays gebieterischen Ton.
„Wie wahr. Ein Uhr, Miriam. Oder ich komme hoch und hole dich.“
„Das wirst du nicht tun!“, fuhr sie ihn an. „Für wen hältst du dich eigentlich?“
„Deinen Ehemann?“, konterte Jay charmant. „Punkt eins.“
Und damit legte er auf.
Na toll. Miriam sah auf ihre Armbanduhr. Halb zwölf, und sie hatte noch nicht einmal ihren Computer eingeschaltet. Sie versuchte, nicht mehr an Jay zu denken, und machte sich an die Arbeit.
Kurz vor eins nahm Miriam Handtasche und Mantel, überprüfte auf der Damentoilette rasch ihr Make-up und fuhr nach unten in die Eingangshalle. Jay saß auf einem der Sofas im Empfangsbereich. In seinem dunklen Anzug, dem silbergrauen Hemd und der dazu passenden Krawatte sah Jay so atemberaubend gut aus, dass Miriam für einen Moment der Atem stockte. Sie errötete.
Im nächsten Moment entdeckte er sie und stand lächelnd auf. „In einer Minute wäre ich dich holen gekommen.“
„Du bist unmöglich“, tadelte Miriam, die ein angenehmes Prickeln verspürte, als Jay ihr in den Mantel half.
„Warum denn?“, fragte er spöttisch, während er seinen schwarzen Mantel vom Sofa nahm und anzog. „Es wäre nicht das erste Mal gewesen.“
Dazu sagte Miriam nichts. Im Fahrstuhl hatte sie beschlossen, bei diesem Mittagessen kühl und höflich zu sein. Nach Jays Rückkehr aus Deutschland würde sie bis Weihnachten so weitermachen und dann erneut die Scheidung verlangen. Sie wollte kein dramatisches Ende mit Tränen und bitteren Vorwürfen. Sie wollte einfach gehen und ihren Seelenfrieden wiederhaben.
Feigling, flüsterte eine innere Stimme, du bist davongelaufen und läufst noch immer davon.
Ja, vielleicht, antwortete Miriam in Gedanken. Aber es war die bessere Lösung. Sie hatte die Miriam nicht gemocht, die sie gewesen war, solange sie mit Jay zusammengelebt hatte: eifersüchtig, wachsam, angsterfüllt. Ihr Selbsterhaltungstrieb forderte, dass diese Ehe ein Ende haben musste.
Als sie das Gebäude verließen, wirbelten noch immer vereinzelte Schneeflocken im Wind. „Ich muss um zwei zurück im Büro sein, also darf es kein langes Mittagessen werden, Jay.“
„Kein Problem. Ich
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