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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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endlich einen Schritt vorwärts machte.
     
    Am Montagmorgen fuhr er Pravat direkt in den Kindergarten. Hägerström hatte den Rest des Tages frei. Die Gefängnisleitung hatte ihn gezwungen, einen Tag freizunehmen, da er in der letzten Zeit so viel gearbeitet hatte. Er aß mit seinem Bruder im Prinsen zu Mittag. Kaufte sich bei NK zwei Hemden und eine Jeans.
    Abends setzte er sich aufs Sofa im Wohnzimmer. Schaltete den Fernseher ein. Zappte zwischen den Kanälen hin und her.
Nachrichten
.
CSI
Miami
. Irgendein Talentwettbewerb:
American Idol
,
Top Model
,
Let’s Dance
, Irgendwelche-nach-Glück-strebenden-Nullen-die-was-werden-wollten-Jagd. Er kannte sich mit diesen Programmen nicht aus, wusste aber, dass er nicht weitergucken wollte. Er blieb bei einer Dokumentation über Russland hängen: ehemalige KGB -Soldaten in Mordpatrouillen, die andersdenkende Journalisten hinrichteten.
    Er ging in die Küche hinaus. Steckte eine Kapsel in seine Nespresso. Livanto, Kaffeeintensität mit Röstaromen. Er lauschte dem Surren der Maschine. Nahm den Kaffee mit zurück zum Fernseher.
    Die Dokumentation erinnerte ihn an seinen Militärdienst. Die Küstenjäger hatten die Aufgabe, die Grenzen des Landes abzusichern, aber vor allem als Guerillakämpfer zu agieren, wenn der Feind einmarschieren sollte. Es war zu der Zeit, als man die Russen noch als ernsthafte Bedrohung Schwedens ansah.
     
    Der Kaffee war ausgetrunken. Und drei Gläser Bordeaux ebenfalls. Hägerström war all diese Freizeit nicht gewohnt.
    Er überlegte, was er tun sollte. In gewisser Weise war es schade, einfach zu Hause zu bleiben, wenn er schon einmal in der Stadt war und es sowieso nichts Gescheites im Fernsehen gab. Er konnte sich natürlich auch eine DVD anschauen. Er konnte sich Fotos von Pravat ansehen und sich wegträumen. Er konnte zu Bett gehen und versuchen zu schlafen. Oder jemanden anrufen, gemeinsam mit ihm weggehen und weitertrinken. Die Frage war nur, mit wem. Er war achtunddreißig Jahre alt, und es war noch nicht einmal Wochenende. Alle seine Freunde waren entweder verheiratet und hatten Kinder, oder sie waren geschieden – hatten aber immer noch Kinder. Wie groß war demnach die Chance, dass sie spontan ein Bier mit ihm trinken würden? Er wusste, wie es normalerweise ablief. Wollte man sich mit irgendwem von ihnen treffen, musste man es planen, oftmals Wochen im Voraus. Der Einzige, der ihm einfiel und der vielleicht Lust gehabt hätte, sich in die Stockholmer Nacht zu stürzen, war Thomas Andrén, sein ehemaliger Kollege. Er hatte inzwischen zwar auch ein Kind – ebenfalls einen adoptierten Sohn –, aber er sagte eigentlich nie nein. Andererseits hatten sie sich über zwei Jahre lang nicht gesehen. Und außerdem kursierte das Gerücht, dass er sich auf die andere Seite geschlagen hatte. Hägerström hatte heute Abend irgendwie keine Lust auf ihn.
     
    Eine Stunde später saß er alleine im Half Way Inn am Mariatorget. Seine Stammkneipe.
    Zu Beginn seiner polizeilichen Laufbahn hatte er auf der Polizeiwache in der Nähe gearbeitet. Er hatte sich oftmals gemeinsam mit ein paar Kollegen nach der Arbeit auf ein oder auch zwei Bier getroffen, hauptsächlich freitags, aber manchmal auch an anderen Wochentagen. Es war nicht gerade Hägerströms Art von Lokal. Aber dennoch: ein Glas Bier oder Wein im Half Way Inn, und er fühlte sich nach einem Arbeitstag gleich besser im Kopf.
    Da war allerdings noch etwas. Das Half Way Inn lag auf Söder. Für Hägerström war es radikal. Als er Mitte der Neunzigerjahre mit der Polizeihochschule fertig war, war er sogar hierhergezogen. In eine kleine Wohnung bei Hornstull. Er sah immer noch die Gesichter seiner Mutter, seines Vaters und seines Bruders vor sich, als sie erfuhren, wo sie lag. »Söder – warum denn ausgerechnet
dort

    Inzwischen hatte Hägerström sich entspannt. Es gefiel ihm immer noch besser, auf Söder wegzugehen, während er auf Östermalm wohnte. Er brauchte keinem länger etwas zu beweisen. Er entschied sich einfach für das, was ihm am besten gefiel, und auf Östermalm war er ja sowieso zu Hause.
    Die Kneipe war ein klassischer englischer Pub mit maritimer Einrichtung. Über der Bar hing ein altes Schild: Hardy & Co Fishing Rods. An der Decke ein Schwertfisch aus Plastik. An der Bar verlief eine Reling aus Messing. An den Wänden hingen grüne Tapeten mit Schottenmuster und Fotos von den Highlands, Dudelsackspielern und Schiffen.
    Auf dem Fußboden lag verschlissene Auslegware, die

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