Lasse
jetzt erzählte er es offenbar überall herum.
»Und warum macht sie sich dann nicht um dich Sorgen?«
»Wieso um mich?«
Ich betrachtete meinen großen Bruder. Ich wollte immer so sein wie er. Groß, stark, selbstbewusst. Jetzt war ich fast genauso groß und stark wie er, aber sein unerschütterliches Selbstbewusstsein war mir ein Rätsel. Wie schottete er sich gegen all das ab? Oder spielte er mir das nur vor.
»Was war das in Schweden? Wieso hast du mit Linnea geflirtet? Wenn sie deine große Liebe ist, okay, aber sie ist mit Arne verheiratet. Und sie haben ein Kind!«
Oles sah mich misstrauisch an »Wer sagt, dass Linnea meine große Liebe ist?«
»Du selbst. Du hast es Lisa auf dem Bergfest erzählt. Und nebenbei bemerkt, sieht es ein Blinder.«
Ole sah mich kurz verunsichert an. »Ich war betrunken.«
»Kinder und Betrunkene ...«
»Wir waren mal zusammen. Ich mag sie. Na, und?« Ole kippte den Rest seines Bier herunter und bestellte gleich das nächste. »Seit wann interessiert dich das?«
»Seit sich deine Ersatzfreundinnen bei mir ausheulen.«
»Du hörst dich schon wie Leif an. Und he, mein Gott, Lisa wusste, dass es nicht ernst ist. Vorher!« Ole grinste. »Wenn du scharf auf sie bist ...«
Ich stand auf. »Wenn wir uns hier nur treffen, damit ich mir deine Sprüche anhöre, dann kann ich auch wieder gehen.«
Ole legte seine Hand auf meine Schulter und hielt mich fest. »Setz dich. Wechseln wir einfach das Thema.«
»Hej!«
Wir sahen uns um. Gerion grinste. »War ja klar, dass ich euch hier treffe!«
Ich stand auf und wir umarmten uns. Ich war erleichtert, ihn zu sehen. Es war die Chance auf ein echtes Gespräch.
»Wie war der Dreh? Seit wann bist du wieder hier?«
»Gerade vom Flughafen gekommen.«
»Und wann musst du wieder los?«, fragte Ole, ohne zu lächeln.
Gerion zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, irgendwann Ende September.«
»Für den Film, in dem Lasse eigentlich spielen sollte?«
Gerion zog scharf die Luft ein und sah ihn skeptisch an.
»Hast du damit ein Problem, Ole?«
Ole stand auf. »Allerdings habe ich damit ein Problem. Was Nora da macht, ist ein mieser Stil. Spielt sich hier auf, weil Lasse sich mit ihrem Geliebten angelegt hat, besetzt ihn nicht mehr und du nimmst den Job dann an? Schon mal was von Loyalität und Solidarität gehört?«
Ich legte Ole die Hand auf die Schulter, diesmal hielt ich ihn zurück. »Hej, wenn ich mich aufregen will, mach ich das schon selbst.«
Ole fuhr herum. »Ach ja? Wann willst du denn damit anfangen?«
Gerions Augen wurden schmale Schlitze, als hätte er schon das Visier herunter gezogen.
»Lasst uns rausgehen!«, sagte ich leicht beunruhigt, denn ich fürchtete, dass sie anfingen, sich in der gemütlichen Wohneinrichtung der 3-Zimmer-Wohnung zu prügeln.
Draußen standen die Raucher, es war schwülwarm und die Stimmung war entspannt.
»Kommt mal runter, es geht ja hier wohl um mich, oder?«, sagte ich möglichst ruhig.
»Nein, Lasse, es geht nicht nur um dich«, sagte Gerion leise. »Es geht um deinen Bruder und die Art, wie er ständig versucht, anderen die Schuld an dem zu geben, was er selbst verbockt.«
»Halt mal!«, sagt Ole und drückte mir sein Bierglas in die Hand. Ich griff reflexhaft zu. Oles Faust schnellte vor und traf Gerion im Gesicht. Ich erstarrte. Das war einfach nicht wahr. Blut schoss aus Gerions Nase und lief ihm über Mund und Kinn. Einige der Raucher drehten sich aufgeschreckt herum, unsicher, ob sie reagieren sollten, aber Gerion hob eine Hand, wie um anzudeuten, dass alles okay sei. Dann senkte er den Kopf und wischte sich das Blut ab. Für einen Moment stand die Zeit still, dann schoss Gerion vor und rammte Ole in den Magen. Ole war leicht betrunken und nicht sehr standsicher, aber man warf ihn nicht einfach um, denn er war wütend. Und wenn er wütend war, dann durfte man sich nicht mit ihm anlegen. Gerion sollte das eigentlich wissen. Ich musste schnell dazwischen gehen, denn obwohl Gerion in den letzten Jahren mit mir ins Fitnessstudio ging und mit Boxen angefangen hatte, hatte er nicht annähernd die Erfahrung von Ole. Es war eine Unterschied, ob man sich ständig in Kneipen prügelte oder in einem Sportstudio mit Schutzhelm und Boxhandschuhen. Ole schob Gerion von sich weg, hielt ihn am ausgestreckten Arm. Ich stellte das Glas auf die Straße und trat zwischen die beiden.
»Hej, hej, jetzt regt euch mal ab. Lass ihn los, Ole.«
Gerion sah mich kurz an. Überall Blut, die Nase sah
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