Lasse
musste eindeutig professioneller mit diesen Dingen umgehen, aber gerade fehlte mir der Nerv dafür.
»Schauspieler?«, fragte mein Nachbar.
»Ja«, sagte ich knapp.
Bevor er mich fragen konnte, ob ich davon leben könnte oder wieso die Kinokarten so teuer geworden waren oder warum die Gagen der Topschauspieler so hoch waren, wählte ich die Nummer meiner Mutter und hielt mir das Handy ans Ohr. Sie ging sofort ran.
»Ich habe gerade mit Ole telefoniert«, sagte sie.
»Und?«
»Ich habe gesagt, er soll sich bei Gerion entschuldigen. Das wäre das Mindeste.«
Ich stellte den Ton am Handy leiser, da ich den Eindruck hatte, jeder im Zug hörte jetzt mit.
»Halt dich da am besten raus«, sagte ich auf schwedisch, worauf zwei weitere Leute den Kopf in meine Richtung drehten.
»Raushalten? Das geht weder privat noch beruflich.«
»Wir reden darüber, wenn ich zurück bin, okay?«, schlug ich vor, denn der Zug war absolut nicht der richtige Ort, diese Dinge zu besprechen. Und überhaupt. Wenn etwas Zeit verging, würde sich das alles schon wieder einrenken. Das hoffte ich jedenfalls.
Ich kannte München ganz gut, es war im Grunde eine Kleinstadt, die mit einem riesigen Hauptbahnhof und Flughafen behauptete, eine Großstadt zu sein. Paul Parkers Adresse lag in Grünwald, einer der besten Gegenden von München, wie mir der Taxifahrer erklärte, als er mit mir durch die Stadt fuhr. Ich sah aus dem Fenster. Spätnachmittag, der Himmel knallblau, die Sonne schien. Ein schöner Tag, aber ich wurde langsam nervös. Auf einmal kam mir mein ganzes Vorhaben vollkommen idiotisch vor. Wenn Moon Schule hatte, müsste sie mittlerweile zu Hause sein, aber was wusste ich von ihrem Leben? Sie hatte nicht wie ein verwöhntes Mädchen reicher Eltern ausgesehen, aber nun wohnte sie in Grünwald. Vielleicht ritt sie gerade oder ging zum Tennis? Und sicher hatte sie einen Freund. Natürlich. Ich kam mir wie ein dämlicher Stalker vor.
Der Taxifahrer hielt vor einem Mehrfamilienhaus. Zur Straße hin gab es eine hohe Hecke, und das Grundstück war zusätzlich mit einem fast genauso hohen Eisenzaun zur Straße hin gesichert. Okay . Ich bezahlte den Taxifahrer, stieg aus und legte mir die Kuriertasche um.
Es gab drei Klingelknöpfe, was mich einigermaßen beruhigte, es war weniger versnobt, wenn hier drei Familien wohnten. Auf der obersten Klingel stand Parker und ich sah zu dem großen, ausgebauten Dachgeschoß des Hauses. Klingeln? Ich stand unschlüssig herum. Das Taxi war wieder gefahren, bis ich mir ein neues besorgt hatte, konnte es dauern.
Eine ältere Frau mit einem Dackel kam aus dem Haus. Ich hatte den Eindruck, sie hatte mich die ganze Zeit beobachtet und wollte mich nun näher in Augenschein nehmen. Also klingelte ich.
»Hello?«, kam es kurz darauf durch die Gegensprechanlage.
Ihr Vater .
Mein Herz schlug mittlerweile so stark, dass ich mich kaum auf etwas anderes konzentrieren konnte. Lasse Paulsen mit Herzinfakt vor Villa in Grünwald gefunden .
»Äh, may I come in?«
»Who is there?«
»Lasse Paulsen.«
Stille. Die alte Frau öffnete umständlich das Gartentor und ließ ihren Dackel nach draußen wackeln. Ich war ihr höflich behilflich und nutzte gleichzeitig die Gelegenheit, mit einem Lächeln an ihr vorbei auf das Grundstück zu schlüpfen. Der Türöffner schnarrte. Okay, er wollte mich also empfangen.
Innen wählte ich die Treppe nach oben. Jetzt war es wie beim Dreh, wenn die Kamera lief. Ich würde die Szene professionell zu Ende spielen, denn ich war auf diese Begegnung vorbereitet. Sowohl auf die mit Moon, als auch auf die mit ihrem Vater und wer vielleicht sonst noch mit oder bei ihr wohnte.
Die Tür zur Dachgeschosswohnung stand offen. Mir fielen die Umzugskartons auf, die gefaltet vor der Tür standen, aber ich dachte mir nichts dabei und klopfte.
»Come in!«, hörte ich es von innen. Die Wohnung war minimalistisch eingerichtet und loftartig geschnitten und es war verdammt still. Ich fand eine Küche, und sah Paul Parker am Spülbecken stehen und Geschirr abwaschen. Das letzte, was ich erwartet hatte. Er deutete an, dass ich mich an den Küchentisch setzen sollte, trocknete sich die Hände ab und drehte sich zu mir um. Er trug Jeans und T-Shirt, er sah müde aus, seine Haare waren zerzaust und er hatte Ringe unter den Augen. Er kam mir wie ein Mensch vor, dazu noch wie ein sehr netter und seine strahlend blauen Augen erinnerten mich so stark an Moon, dass mein Herz schmerzte.
»Willst du einen
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