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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
Autoren: Anja Maier
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man nichts machen. Da musste ich durch, und deshalb wurde mein Pregnancy waddle gleich noch ein bisschen schwankender. Schön, attraktiv und sexy war das keineswegs.
    Die Frauen, die nun hier und heute mit ihren Premiumbäuchen an mir vorbeiziehen, scheinen derlei nicht zu kennen. Aufrechter Gang und stolzer Blick – wie machen die das bloß? Sexymama weiß es. »Du wirst Mama! Du brauchst deshalb keine Kompromisse einzugehen«, nordet die Dickenboutique auf ihrer Website die Frauen ein, »hier findest du die Sahnestücke von über zwanzig internationalen Designern.« Im Klartext: Du kriegst ein Kind, du fühlst dich wie ausgelutscht – jetzt reiß dich aber mal zusammen! Gib uns dein Geld, wir geben dir dafür das Gefühl, trotzdem heiß zu sein.
    Interessant auch das Versprechen, dass alle Verkäuferinnen »selbst bereits Mamas oder gerade schwanger sind«. Mit Verlaub, ich würde eher als Hartz-IV-Beraterin oder U-Bahn-Kontrolleurin arbeiten, als unter diesen Einstellungsvoraussetzungen meine Brötchen verdienen zu müssen. Nur Kolleginnen, die Kinder kriegen oder haben? Worüber reden die da den ganzen Tag, wenn gerade keine Kundinnen im Laden sind? Immer nur über Kinder, die eigenen und die der Kollegin? Oder über die dicken Beine der Kundinnen? Über Rückbildung, Dammnähte und Brustentzündungen? Schlimm.
    Warum ist es nicht erlaubt, einfach mal neun Monate scheiße auszusehen, wenn man sich sowieso in dieser Zeit jeden Tag wie durchgemüllert fühlt? Warum müssen Frauen so tun, als sei ihre Schwangerschaft ein Kinderspiel, das sie mal eben zwischen zwei Kreativjobs erledigen? Als wären sie trotz ihres Übergewichts, des schlechten Schlafs und der allgemeinen Verunsicherung im Zusammenhang mit solch einem Megaprojekt auch jederzeit noch das Girl von nebenan – bloß eben gerade mit angeknöpftem Bauch und demnächst auch mit Baby und auf Schlafentzug?
    Mutter sein, Frau bleiben – ein schöner Vorsatz. Aber gerade im Familienparadies Prenzlauer Berg lässt sich gut beobachten, wie Ökohedonismus ins Absolute kippt. Alles soll gelingen: Kinder kriegen und haben, dabei bitte geistreich bleiben und gut aussehen. Und das Ganze auch noch bio und natürlich. Gestern erst fuhr ich, vom Ökomarkt am Kollwitzplatz kommend, mit dem Rad ins Wegwarte-Haus. Am Straßenrand stand ein großes rotes Werbeschild: STILKELLER , stand drauf. Eingedenk der vielfältigen Möglichkeiten dieses Bezirks, las ich auf die Schnelle natürlich STILLKELLER . Und was soll ich sagen? Ich war nicht mal irritiert, sondern fand es in diesem Übermütterambiente geradezu folgerichtig, dass es einen Kuschelraum für Stillende geben könnte, der nach marktwirtschaftlichen und bionadösen Prinzipien funktioniert. Aber im Stilkeller, das sah ich auf den zweiten Blick, gibt’s bloß dekorativen Tineff für Leute, die sich ihr Zuhause à la provence einzurichten gedenken. Ich schüttelte mich kurz, zog von dannen und überlegte, ob es nicht in diesem Laden handgeklöppelte Still- BH s geben sollte. Aber die bietet vermutlich schon Sexymama an. Da gehe ich doch mal nachgucken.
    Und tatsächlich gibt es bei Sexymama BH s. Allerdings keine handgeklöppelten, sondern eher, dem Geschäftskonzept folgend, sexy Teile. Dirndlartig karierte, baumwollbespitzte, busenstützende – und natürlich mit Stillklappe. Die Röcke für schwangere Elfen gibt es ab 60 Euro, T-Shirts mit viel Bauchraum um die 30, Kleider kosten 70 und mehr. Tatsächlich sehen die Sachen gut aus, und während ich mich so durchwühle und gucke, werde ich von der freundlichen Verkäuferin gefragt, ob sie mir helfen könne. Ich reagiere unsouverän, fühle mich ertappt im Mamiland und sage wahrheitsgetreu, dass ich nicht schwanger bin und nur mal gucken will. Sie wendet sich milde lächelnd ab, das Ladentelefon hat geläutet. »Sexymama, guten Tag?«, sagt sie in den Hörer. Ich bin ganz gerührt, denn sie spricht das sexy aus wie meine Mutter, gebürtig aus Dresden: sächsi. Toll.
    Ich trolle mich. Gleich nebenan gibt es ein Restaurant, wo ich lauwarme, frisch gerollte Sushi esse. Ich setze mich, nippe am grünen Tee und gehe in mich. Sag mal, frage ich mich, kann es sein, dass du neidisch bist? Dass aus dir eine stutenbissige Altmutter geworden ist, die dem jungen Gemüse missgönnt, dass schwanger zu sein heute nicht mehr bedeutet, schlecht auszusehen?
    Ich ziehe einen Flunsch und schweige bockig.
    Na komm, gebe ich mir einen Schubs, gib’s doch einfach zu! Die Frauen in den
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