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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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hört.«
    »Nun, ich denke, was Herr Konopka zu wagen sich traute, dazu wird mir der Mut auch nicht fehlen«, versetzte Manwed und drehte seinen Schnurrbart.
    »Oh! Er scherzt nur!«, hauchte Aniela. »Ich scherze nicht, mein Fräulein.«
    »Manwed, Sie werden nicht zu dem Marmorweibe gehen!«, rief jetzt Aniela mit aller Heftigkeit, die ihr zu Gebote stand.
    »Ich werde, und zwar nachts, ich will sehen, ob die kalte Schöne lebendig wird.«
    »Manwed«, sagte Aniela mit matter Stimme, aber in sehr bestimmtem Tone, »ich verbiete Ihnen zu gehen.«
    »Vergeben Sie«, murmelte der Trotzkopf, »aber ich muss schon so ungalant sein und diesmal nicht gehorchen.«
    Aniela sah ihn lange an, mehr erstaunt als böse, dann wendete sie sich ab, ihr Busen hob sich, ihr Atem stockte, Tränen flossen auf ihre Wangen herab.
    Manwed nahm seine Mütze, empfahl sich kurz und ging. Nicht lange, und wir hörten die Peitsche seines Kutschers knallen, die Glöckchen klingen. Aniela verließ schluchzend das Zimmer.
      
    Am folgenden Morgen besuchte ich Manwed in der Absicht, Frieden zu stiften, aber er zeigte sich womöglich noch halsstarriger als am vorhergehenden Abend.
    »Alle sind sie Tyranninnen, unsere Frauen«, rief er erbost, »nur dass die einen uns mit Füßen treten und die anderen mit Tränen misshandeln! Wenn ich dieses eine Mal nachgebe, bin ich verloren. Jetzt werde ich das geheimnisvolle Schloss um so gewisser besuchen und zwar auf der Stelle.« Er zog sich rasch an, ließ sein Pferd satteln und nahm vor der Freitreppe seines Hauses Abschied von mir.
    »Also du reitest wirklich?«
    »Du siehst ja.«
    »Nun, ich bin neugierig, was da herauskommt.«
    »Ich auch.«
    Ein gegenseitiges Zunicken, und er gab dem Pferde die Sporen, der Schnee knirschte unter den Hufen desselben und leuchtende Eisstücke flogen auf. Ich sah ihm nach, bis er in dem weißen Nebel verschwunden war.
      
    Zwei Abende blieb Manwed aus, am dritten kam er und wurde ziemlich kühl empfangen. Aniela schien ihn nicht einmal zu sehen, sie spielte und scherzte ziemlich laut, was sonst nicht ihre Art war, mit dem kleinen Wachtelhund, der sich darüber sehr erfreut zeigte, abwechselnd knurrte, winselte und bellte, sich bald auf die Vorderpfoten niederließ, bald auf den rückwärtigen aufstellte und unablässig wedelte.
    Manwed saß gegen seine Gewohnheit schweigend da, sein Gesicht war ernst, nachdenklich und sehr bleich, seine dunklen Augen loderten nur in demselben, eine finstere Falte lag über ihnen wie ein Schatten oder die Narbe eines Säbelhiebs.
    Endlich nahm der alte Herr das Wort. »Nun? Was? Waren Sie etwa oben, Herr Weroski?« Das »Herr« wurde stark betont.
    Manwed begnügte sich, leicht zu nicken. »Nun, so erzählen Sie!«, rief der Adjunkt und riss seine weißen Manschetten hastig aus den Ärmeln seines schwarzen Rockes hervor.
    »Ich bin nicht neugierig«, warf Aniela hin.
    »Es ist immerhin interessant«, sagte die Hausfrau mit Würde, »nehmen Sie eine Tasse warmen Tees, und dann erzählen Sie.«
    Und Manwed nahm eine Tasse warmen Tees, lockerte den großen Knoten seines seidenen Halstuches, rieb sich die Augendeckel und begann zu erzählen.
    »Wenn ich nicht hier unter Ihnen sitzen, den Samowar singen, das Feuer prasseln und die große Pfeife des würdigen Herrn Bardoßoski vernehmlich seufzen hören würde, ich würde glauben, dass ich zwei Tage und zwei Nächte und wieder einen Tag geschlafen habe, und dass mich die sonderbarsten und unheimlichsten Träume während dieser Zeit gequält haben, ja, ich würde glauben, dass ich jetzt noch träume, denn ein feiner, durchsichtiger Nebel, wie ein Schleier einer Majka aus blassem Mondlicht gewoben, trennt mich von Ihnen und in weiter Ferne steht die Gestalt und deutet und winkt.
    Es war ein heiterer Wintermorgen, voll Glanz und goldenem Lichterspiel auf dem weißen Schnee, der die Erde weich einhüllt, auf den hohen Fichten und Tannen, die ihre Äste wie schwarze Arme aus weißen Mänteln hervorstrecken, auf den Eisfransen, mit denen die Strohdächer der Bauernhütten an der Mitternachtsseite verziert sind, dem festgefrorenen Teiche, der sich in eine silberne Wiese verwandelt hat, und dem schwarzen, metallischen Gefieder der Krähen, welche auf dem Wege steif einherschreiten, mit einer Art Wichtigkeit vor sich hin nicken und schwer, gleichsam unwillig auffliegen, um sich wieder auf die Straße oder einen mit blitzenden Nadeln besäten Baum zu setzen. Langsam drehten sich aus allen Klüften und

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