Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Last days on Earth: Thriller (German Edition)

Last days on Earth: Thriller (German Edition)

Titel: Last days on Earth: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Frost
Vom Netzwerk:
jemandem aus der Gens.«
    Raoul sah ihr nach, während ihre schlanke Gestalt in den Schatten der lichten Sommernacht verschwand. Sie bewegte sich wie eine Nachtgeborene – im einen Moment konnte er sie noch sehen, dann war sie verschwunden.
    Erst mit ein wenig Verzögerung begriff sein müdes Gehirn, was sie mit ihren Worten gemeint hatte: Sie war auf der Suche nach einem Vampir, dem sie ihr Blut und ihre Essentia anbieten konnte. Raoul schlug erbittert auf das Lenkrad, ehe er den Wagen startete.

 

    12.19. 19. 10. 18.
     
    Karlas Rat war gut gewesen. Raoul hatte sich gründlich von Faustina bemuttern lassen und war dann müde und satt nach Hause gefahren.
    Eigentlich hatte er vorgehabt, sich sofort ins Bett zu legen, aber als er durch den nach Putzmitteln riechenden Hausflur ging, spürte er eine Nervosität, die wie kribbelnde Ameisen unter seiner Haut saß. Er würde keine Ruhe finden, also konnte er sich genauso gut noch mit einem Glas Wein und der verdammten Pistolenkugel in sein Arbeitszimmer zurückziehen. Und nach Brad fahnden, der ihm geschickt aus dem Weg ging. Raoul konnte seinen Daimon fühlen, er hielt sich immer ganz knapp außerhalb des Radius auf, in dem Raoul ihn hätte beim Kragen packen können. Es machte ihn rasend, wie das Gefühl, sich an einer unerreichbaren Stelle kratzen zu müssen.
    Wenig später drehte er das beschlagene Glas mit einem angenehm kühlen Pinot Grigio zwischen den Fingern und starrte auf die Kugel hinunter, die auf einem Blatt Papier vor ihm lag. Das Geschoss war verformt, »aufgepilzt«, wie er es einmal einen Ballistiker hatte nennen hören. Raoul war kein Fachmann für Schusswaffen, aber so weit er es erkennen konnte, handelte sich um ein relativ kleines Pistolenkaliber. Nicht gerade die Waffe eines Profikillers.
    Mit einem Seufzen stellte er das Glas ab und zog eine Schublade auf. Er war zu müde, um eine komplexe Untersuchung vorzunehmen, bei der allein die Vorbereitung mehrere Stunden in Anspruch genommen hätte. Jetzt musste eine flüchtige erste Ortung genügen.
    Er holte die Streubüchse mit dem feinen weißen Vogelsand heraus, der zart nach Anis duftete. Dann die schwarze Ölkreide, das Fläschchen mit destilliertem Wasser, einen Korb mit glatten, flachen Flusskieseln, die mit Runen bemalt waren, eine Kerze und etwas Moos. Er dachte kurz nach und legte noch den Silberanhänger, der das Rad des Lebens zeigte, sowie eine winzige Nachbildung der Weltenesche aus Gold und eine aus Blei gegossene und schwarz lackierte Statuette der vielarmigen Kali Durga zu den anderen Dingen auf den Tisch.
    Raoul trank noch einen Schluck Wein, rollte ihn im Mund herum und dachte nach. Er nahm seinen Montblanc, schraubte ihn auf und schrieb nach kurzem Nachdenken ein paar Worte auf die Unterlage, auf der die Kugel lag. »Tod«, schrieb er. »Schmerz. Blut. Verlust. Angst. Bosheit. Auftrag. Töten. Geld.« Er dachte kurz nach, strich das Wort »Bosheit« wieder aus und ersetzte es durch »Geschäft«. Während die dunkelviolette Tinte langsam trocknete, nahm er die Streubüchse und zog einen Kreis auf dem Tisch. In diesen Kreis zeichnete er sorgfältig mit der schwarzen Ölkreide ein Pentagramm, in dessen Ecken er die Kali Durga, das Lebensrad und die Weltenesche platzierte. Die beiden freien Spitzen besetzte er nach kurzem Überlegen mit etwas Moos und einem Runenstein, dann griff er nach dem Skalpell, das für solche Zwecke in einer Silberschale bereitlag, und zog es mit einer festen, schnellen Bewegung über seine Handfläche. Dann führte er die blutende Hand über die Runensteine und ließ ein gut bemessenes Quantum Blut auf sie herabtropfen. Nach kurzer Überlegung beträufelte er auch die Kali Durga.
    Er lehnte sich zurück, wickelte ein sauberes Tuch um seine Hand und griff nach dem Weinglas. Der Pinot schmeckte zart nach Mandeln und Ananas.
    Raoul spülte einen Schluck im Mund herum, beugte sich vor und sprühte den Wein behutsam auf das Pentagramm. Er tupfte sich den Mund ab und kehrte zu den aufgeschriebenen Worten zurück. Er strich alle Buchstaben durch, die doppelt vorkamen, schrieb die übrig gebliebenen neu auf und ordnete sie zu einer Art Muster. Das wiederholte er mehrmals, bis ihn das Ergebnis zufriedenstellte. Er warf noch einen kurzen Blick auf die Sigille, achtete darauf, sie sich einzuprägen und gleich wieder zu vergessen. Mit einer Silberpinzette hob er die Kugel vom Papier und legte sie in die Mitte des Pentagramms. Ein kurzer Befehl brachte die Kerze zum

Weitere Kostenlose Bücher