Last days on Earth: Thriller (German Edition)
war.
»Besser?«, sagte er schließlich, als sie sich aufrichtete, nach einem Taschentuch angelte und ihre Nase putzte. »Was ist passiert?«
Er ahnte ein Kopfschütteln. Ihr helles Haar leuchtete in der Dunkelheit. Sie schnaubte noch einmal in ihr Taschentuch und sagte: »Danke. Ich gehe wieder in mein Bett.«
Seine Hand entwickelte ein bemerkenswertes Eigenleben. Raoul sah verblüfft zu, wie sie sich ausstreckte und nach Karlas Arm griff. »Bleib doch«, sagte er.
Sie zögerte. Dann seufzte sie und ließ sich zurücksinken. Er legte sich wieder hin und zog sie an sich. Ihr Kopf lag an seiner Brust, und der Duft ihrer Haare stieg in seine Nase. Es roch gut, wie Wald im Sonnenlicht.
Er dämmerte weg. Dunkle, gestaltlose Welt, ein See mit spiegelnd schwarzem Wasser, in dem er versank. Nur sein Herzschlag, sein Atem, das Rauschen des Blutes in seinen Ohren, dann nichts mehr.
»Du verdammtes Schwein!« Ein Faustschlag traf ihn und warf ihn zurück. Sein Kopf knallte gegen etwas Hartes, und einen Moment lang sah er nur Sterne. Er hob die Hände, aber zu langsam. Eine Ohrfeige ließ seine Zähne aufeinanderschlagen.
»He«, protestierte er. Er war vollkommen orientierungslos. »Du Drecksack, du verfluchter Scheißkerl«, schrie die Stimme, und wieder folgte ein Schlag, vor dem er sich dieses Mal rechtzeitig wegducken konnte. Seine Hand fuhr nach oben und packte das Handgelenk der Angreiferin. Sie schrie und wehrte sich wie eine Besessene.
Seine Erinnerung kehrte zurück. Karla. Sie war es, die auf ihn einschlug und ihn beschimpfte. Sie waren in seinem Schlafzimmer, in seinem Bett. Er hatte tief und fest geschlafen, bis …
»Karla«, brüllte er und schüttelte sie ein wenig. »Ich bin es! Raoul!«
Sie wehrte sich noch einen Moment lang, dann erstarb ihr Widerstand. Sie sackte zusammen. Raoul schob sie gegen die aufgetürmten Kissen und ließ sie los, dann betastete er vorsichtig die Schwellung unter seinem Auge und fuhr prüfend mit der Zunge über seine Zähne.
»Raoul«, wiederholte Karla und hob eine zitternde Hand, um das zerraufte Haar aus den Augen zu streichen. »Verdammt! Es tut mir leid. Ich wollte nicht dich schlagen.« Er sah den Zorn in ihren Augen blitzen wie Gewehrfeuer. »Dieser Scheißkerl hat sich aus dem Staub gemacht, damit du die Prügel abbekommst.«
Raoul seufzte. »Was auch immer er getan hat, ich entschuldige mich dafür.«
»Du kannst nichts dafür. Du warst vollkommen weggetreten, und er hat die Gelegenheit genutzt …« Sie biss sich auf die Lippe. Er konnte ihre Wut beinahe mit Händen greifen.
In seinem Mund war ein bitterer, saurer Geschmack. Er schloss die Augen, tauchte tief in sein Inneres und bekam seinen Daimon zu packen, der unvorsichtigerweise zu dicht unter der Oberfläche gelauert hatte, so begierig war er darauf, all diese heftigen Emotionen aufzusaugen: Karlas Zorn und seinen Schmerz, seine Überraschung und ihre aufgewühlten Gefühle.
Brad , fauchte er und hielt den sich windenden Daimon unbarmherzig fest. Du bleibst hier! Du bist mir längst Rechenschaft schuldig! Wie konntest du …
Der Daimon gab seinen Widerstand auf und ergab sich. Raouls Aufmerksamkeit ließ einen winzigen Moment lang nach, weil er Karlas Gegenwart so deutlich spürte wie eine Berührung und ihn das vollkommen verwirrte.
Brad sandte eine Welle von Triumph und mit ihr Information. Geballt, kompakt, komprimiert und im gleichen Moment, wie sie Raouls Gedächtnis berührte, sich aufblähend wie ein Fesselballon.
Raoul stöhnte und krallte die Hände in die Haut seines Gesichtes. Alles, was Brad in den Monaten, die er ihn eingesperrt hatte, erfahren und gesammelt hatte, wurde nun mit Gewalt in Raouls Gehirn gepresst. Ihm drohte der Kopf zu platzen. Er fühlte, wie seine Augen aus dem Schädel quollen, sein Gehirn sich vergebens mühte, all die angesammelten Daten auf einmal zu verarbeiten. Der Druck wurde ungeheuer stark. Raoul ließ sich aus dem Bett fallen und taumelte zur Tür. Er hörte in der Ferne, gedämpft wie durch dicke Lagen von Filz, wie Karla seinen Namen rief, aber er konnte nicht antworten. Er stürzte gegen den Türrahmen, tastete blind nach der Klinke und torkelte ins Bad. Seine Beine gaben unter ihm nach, und er fand sich auf allen vieren auf dem kühlen Fliesenboden wieder. Würgend. Schmerz und Druck in seinem Kopf, aufwallende Übelkeit. Blitze vor den Augen, Stiche in den Schläfen, ein Nacken, der steif und hart war und von dem aus Schmerzwellen durch seinen Körper
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