Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Sicherheitsgurt. »Da vorne kommt die Abzweigung.«
»Sie bleiben uns auf den Fersen«, rief Raoul. »Kannst du so eine Barriere ziehen wie ich vorhin an der Tür? Das wird sie nicht lange aufhalten, aber es bremst sie ab.«
Karla grub die Nägel in die Handflächen. »Raoul, ich kann gar nichts«, erwiderte sie. »Sollen wir anhalten, damit du dich darum …«
»Nun mach schon«, rief er. »Hau ihnen eure morphische Energie um die Ohren, und mach es schnell – sie holen auf.«
Karla verdrehte die Augen. Stur wie ein Esel. Aber bitte, wenn er es wünschte. Das nächste morphische Feld lag ein wenig außerhalb ihrer Reichweite, aber sie näherten sich. Ein Straßenzug, eine Kirche. Schlafende Menschen erzeugten eine ganz eigene Form der Energie. Sie war schwer zu packen, aber wenn man sie einmal im Griff hatte, leicht zu formen und zu verändern.
Karla vollführte routiniert die nötigen mentalen Griffe und wandte sich achselzuckend an Raoul: »Siehst du? Es funktioniert …«
»Hervorragend«, ergänzte er. »Ausgezeichnet, Frau Kollegin.« Karla folgte seinem Blick in den Spiegel, dann drehte sie sich sprachlos um. Zwischen ihnen und den Verfolgern hatte sich quer über die Straße eine grelle, energiesprühende Barriere gebildet. Sie hörte Reifen quietschen, Schüsse und eine Hupe, laut und wütend.
»Das warst du!«
Er lachte und beschleunigte. »Machen wir, dass wir wegkommen.«
Karla entschied sich, das Thema erst einmal ruhen zu lassen. Ein heftiger Streit mit dem Fahrer gehörte ihrer Erfahrung nach nicht zu den Dingen, die man als vernünftige Beifahrerin während einer Verfolgungsjagd anzetteln sollte.
Karla lag mit einer Tasse Tee auf dem Sofa in Raouls Wohnzimmer, während Raoul gedankenverloren den zur Spielfigur verwandelten Wurdelak betrachtete.
»Er wollte seinen Auftraggeber nicht verraten«, dachte Karla laut nach. »Aber er schien trotzdem nicht die geringste Angst vor uns zu haben.«
Raoul stellte die Wolfsfigur auf den Boden. »Er hat sich seltsam benommen. Als würde er uns verwechseln.«
Karla schüttelte den Kopf. »Mit wem? Du glaubst doch nicht, dass er Brad kennt?«
Raouls Gesichtsausdruck wurde noch ein wenig trübsinniger. »Ich bin mir sogar recht sicher, dass die beiden sich kennen.« Er beugte sich vor und schnippte gegen den verwandelten Wurdelak. »Das ergäbe doch endlich Sinn. Warum sollte jemand versuchen, dich oder mich zu töten? Aber Brad …« Er zuckte die Achseln. »Wenn er die falschen Leute verärgert hat, dann wäre es schon vorstellbar, dass die einen Killer auf ihn ansetzen.«
»Kannst du ihn wiederherstellen? Dann fragen wir ihn.«
»Ich bin jetzt zu müde«, sagte er. »Ich muss erst herausfinden, was schiefgegangen ist. Ich wollte ihn aufhalten, nicht schrumpfen und versteinern.« Er gähnte. Morgen früh werde ich ein paar Bücher wälzen, dann weiß ich hoffentlich, wie ich vorgehen muss.« Er streckte die Beine aus und legte den Kopf an die Sessellehne. »Das war gut«, sagte er nachdenklich. »Du bist also wieder angeschlossen. Wie hast du das gemacht?«
»Das ist nicht witzig«, sagte Karla. »Hör auf damit, Raoul!«
Er blickte erstaunt auf. »Womit?«
»Mich aufzuziehen.« Sie konnte nicht glauben, dass er das tat.
Raouls Gesichtsausdruck wurde betroffen. »Nein«, sagte er. »Nein, das würde ich nie tun.«
Karla gab es auf. »Ich gehe ins Bett«, sagte sie und erhob sich. »Du siehst auch erledigt aus. Lass uns alles andere auf morgen verschieben.«
12. 19. 19. 11. 02.
Raoul verbrachte den Vormittag in seinem Arbeitszimmer auf der Suche nach einer Methode, wie er die verunglückte Verzauberung des Wurdelaks wieder rückgängig machen konnte. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich Bücher und Notizen und die Wolfsfigur schien ihn hämisch anzugrinsen. Raoul seufzte und stand auf. Kaffee half manchmal beim Denken.
Er spürte Brads Gegenwart, noch ehe der Daimon sich meldete. »Wo warst du?«
Recherche. Brad klang satt und zufrieden, anscheinend hatte er einen ausgiebigen Ausflug in den Datenstrom gemacht.
Raoul rieb sich über die Stirn. Er fühlte sich ausgelaugt und müde, und er hatte so viel mit Brad zu besprechen. Zu vieles war ihm in den letzten Tagen merkwürdig erschienen. Er seufzte und setzte einen extrastarken Kaffee auf. »Brad? Wir müssen reden.«
Der Daimon maulte wie ein kleines Kind. Er wolle ruhen. Er habe schwer gearbeitet. Raoul könne ihn nicht zwingen – kreuzverdammter
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