Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Sklaventreiber!
»Brad«, wiederholte Raoul mit bröckelnder Geduld, »muss ich erst wütend werden? Gehorche, Pouru…«
Nein, nein, schon gut. Brad fiel ihm hastig ins Wort. Raoul hatte nie herausgefunden, ob sein vollständiger Name dem Daimon Schmerzen bereitete.
»Also.« Raoul setzte sich an den Küchentisch und rührte Zucker in den Kaffee.
Das ist ungesund. Zerfrisst deine Gefäße.
»Halt’s Maul!« Raoul nahm einen zweiten Löffel.
Brad pfiff ein Liedchen, irgendeinen dieser Ohrwürmer, auf die er so stand. Wenn er wollte, konnte er mit der gleichen Kunstfertigkeit Rachmaninow oder Bach pfeifen (was an sich schon ein Verbrechen war), aber in der Regel vergriff er sich an der leichteren Muse.
Raoul sammelte seine Gedanken. Es musste so viel von Brad erfahren. Warum er ihn so lange aus dem Verkehr gezogen hatte. Warum jemand versuchte, ihn umzulegen. Was er mit Karla …
Er verschluckte den letzten Gedanken, aber Brad hatte ihn schon aufgeschnappt und produzierte das geistige Äquivalent zu einem anzüglichen Grinsen.
Interessieren dich die Details? Soll ich sie dir in Farbe und Ton überspielen? Es wäre mir ein Vergnügen …
»Brad!«, sagte Raoul warnend. »Das geht mich nichts an und verletzt Karlas Intimsphäre.«
Brad kicherte. Schade, Boss. Du hättest sicher nicht weniger Vergnügen daran als ich. Sie ist …
»Brad!«
Raoul massierte seine Augen mit den Handballen. Brad brachte ihn immer so weit, dass er Emotionen produzierte. Nun gut, das war ein Teil ihrer Partnerschaft. Daimonen genossen Gefühle aus zweiter Hand wie ein exquisites Mahl.
»Der Typ, der auf mich geschossen hat«, packte Raoul das nächstliegende Thema beim Schopf. »Der Wurdelak. Kennst du ihn?« Er zeigte Brad das Bild des Gestaltwandlers: Einmal, wie er die Pistole auf Raoul richtete, dann seine Wolfsgestalt.
Brad war still. Dann antwortete er: Ja, denke schon.
Raoul wartete auf eine Erklärung. Er trank seinen Kaffee und fragte schließlich: »Und?«
Und was? Brad summte.
»Woher kennst du ihn, warum hat er auf mich geschossen, für wen arbeitet er …?«
Kyriákos Dimitriadis. Mietkiller. Billig und schlecht. Nimmt irgendein Zeug, das ihn langsam macht. Er war wohl früher mal einer der Besten, hat sogar für Perfido gearbeitet. Aber seit über einem Jahr ist er ziemlich weg vom Fenster. Hat ein paar Aufträge versenkt. Steht bei einigen der Bosse auf der Abschussliste. Deshalb versteckt er sich auch da unten im Waldhotel. Abschaum.
»Waldhotel«, wiederholte Raoul.
Dieses Loch im Wald. Da tauchen alle unter, die nicht gefunden werden wollen.
Raoul machte sich Notizen. Das hatte er von Karla übernommen. Er starrte auf den Notizblock und das kaum leserliche Gekritzel. Wann hatte er angefangen, sich nicht mehr auf sein unbestechliches Gedächtnis zu verlassen? Seit wann stolperte er über unerklärliche Lücken in seinen Erinnerungen? Er schloss die Augen, biss so fest auf die Zähne, dass der Druck in seinen Schläfen schmerzte. War es schon so weit?
War es das? Brad schien sich zu entfernen. Raoul packte zu und hielt ihn an der Oberfläche.
»Ich brauche den Auftraggeber des Killers«, sagte er. »Und ich will von dir hören, warum er hinter dir oder mir her ist. Du hast vier Monate Zeit gehabt, uns beide in die Scheiße zu reiten, und ich habe das Gefühl, du hast die Zeit gründlich ausgenutzt.«
Brad winselte. Boss, lass los! Ich erzähl dir ja alles, was ich weiß. Keine Ahnung, wer Kyriákos auf uns gehetzt hat. Ich habe für unsere nette Ermittlerin ein bisschen rumgeschnüffelt. Hab bei der Gelegenheit in dem einen oder anderen Hinterzimmer beim Pokern ein bisschen was verloren. Vielleicht bin ich da jemandem auf die Füße getreten – keine Ahnung, Raoul. Ehrlich nicht!
Raoul seufzte und lockerte seinen Griff. Wenn Brad anfing zu jammern, bekam er nichts mehr aus ihm heraus. »Ich habe dir verboten, um Geld zu spielen«, sagte er deshalb nur. »Hau jetzt ab, regenerier dich! Aber ich will noch einen ausführlichen Rapport. Und kümmer dich bei deinen nächsten Recherchen um diesen mysteriösen Auftraggeber.«
Brad war fort, ehe er ganz zu Ende gesprochen hatte.
Als Karla kam, saß Raoul immer noch da und schob gedankenverloren seine leere Tasse von der einen zur anderen Seite des Tisches. »Raoul? Alles in Ordnung?«
Er blickte auf und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich habe nur über etwas nachgedacht.«
»Du siehst schrecklich aus. Hast du dich mit Brad gestritten?«
Raoul
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