Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Hemd schmückte eine dezente Krawatte mit silberner Nadel, ein Silberring schimmerte am Finger, in der Hand hielt er einen ebenholzschwarzen Stock mit silbernem Knauf, der wie ein Vogelkopf geformt war, und ein breitkrempiger Hut vervollständigte das Bild aus dem Modejournal für den extravaganten Dandy-Magier.
Das adlernasige Gesicht unter der Hutkrempe war tadellos rasiert, der eckige Kinnbart sauber gestutzt, und die tiefen Ringe unter seinen Augen waren zu Schatten verblasst, die dem langen Gesicht einen melancholischen Ausdruck verliehen.
Karla stieß sich von der Wand ab. »Die ganze Show zieht er doch nur ab, um mich zu ärgern«, grummelte sie.
12. 19. 19. 03. 19.
Raoul genoss den Moment, in dem die Miene der Blondine entgleist war. Ihr fassungsloses Staunen war den Aufwand wert gewesen, den er heute früh in seinem Ankleidezimmer betrieben hatte. Brad hatte in seiner Garderobe so gut wie kein Teil übrig gelassen, das noch tragbar gewesen wäre, aber diesen Anzug, den er zu Toras letztem 60. Geburtstag gekauft hatte, hatte Brad wohl übersehen. Oder er hatte ihm nicht gefallen.
Er wischte das breite, triumphierende Lächeln von seinem Gesicht und wandte sich der rothaarigen jungen Frau zu, die ihn ungeniert anstarrte.
»Mick«, sagte sie, als sie sich seiner Aufmerksamkeit sicher war. »Ich bin Karlas Kollegin. Freut mich.« Sie hielt ihm die Hand hin.
Er nickte und lächelte. Die Unsitte des Händeschüttelns war etwas, das er grundsätzlich vermied. Man erfuhr mehr über sein Gegenüber, als einem in der Regel lieb war – und, noch schlimmer: Man gab selbst zu viel von sich preis.
»Darf ich mich setzen?«, fragte er.
Mick deutete auf den Stuhl. »Karla wird sicher nichts dagegen haben.« Das Mädchen setzte sich neben ihn auf die Schreibtischkante. Sie war nicht sehr groß und hatte ein rundes, kindliches Gesicht mit porzellanblauen Augen. Ihr Augenaufschlag war voller Unschuld, hinter dem sich allerdings eine gute Portion Frechheit verbarg. Raoul faltete die Hände vor dem Mund, um sein Lächeln zu verbergen. Das kleine Aas flirtete mit ihm! Wenn es wüsste, wie wenig es sein Typ war!
»Schickes Auto«, sagte sie. »Oldtimer?«
Er nickte und neigte abwartend den Kopf. Sein Blick fiel auf die Stapel Notizen, die sich auf Karlas Schreibtisch türmten.
»Karla hat mir nichts von Ihnen erzählt.« Mick klimperte mit den Wimpern. »Ich verstehe jetzt, warum.« Sie lächelte und fuhr mit der Zunge über ihre Lippe.
Raoul lehnte sich zurück. »Warum denn?«
Sie schlug die Augen nieder und strich einen imaginären Rock glatt. Die Wirkung der Geste war bei der ausgeblichenen Jeans, die sie trug, allerdings nicht ganz so sexy, wie sie es sich zu erhoffen schien. »Karla behält ihre interessanten Männerbekanntschaften immer für sich. Ihren Freund habe ich auch noch nie zu Gesicht bekommen.«
Die kühle Karla van Zomeren hatte also einen Freund. Es war ihm gleichgültig, auch wenn die kleine Magistra mit dem Puppengesicht das nicht zu glauben schien. Karla war ebenso wenig sein Typ wie das Puppenmädchen. Weiße Hexen waren einfach zu keimfrei für seinen Geschmack.
Er lächelte über den Begriff. War das hexenfeindlich? Wahrscheinlich.
Das Telefon auf Micks Tisch klingelte.
Raoul beugte sich über den Tisch und nahm einen knallroten Ordner auf, dessen Aufschrift »Weltuntergang« seine Neugier erregt hatte. Er blätterte in den sorgfältig archivierten Ausschnitten herum, die beinahe alle aus der Regenbogenpresse stammten. Las Karla dieses Zeug? Gehörte sie etwa zu den Irren, die an den bevorstehenden Weltuntergang glaubten? Er schüttelte den Kopf, während er einige der Ausschnitte überflog. Supervulkane. Ein Komet, dessen Aufschlag alles Leben auf der Welt vernichten würde. Das Ende der Langen Zählung des Maya-Kalenders, mit dem alle Zeit enden würde. Die Supernova-Explosion von Beteigeuze, die exakt am 21. Dezember (ebendiesem magischen Datum der Maya) über die Bühne gehen und die Erde mit Neutrinostrahlung verseuchen würde. Entenküken mit drei Beinen, ein notgelandetes Raumschiff, UFO-Sichtungen und geplante Invasionen von Aliens. Das waren natürlich alles Informationen, die von der Regierung unter Verschluss gehalten wurden.
Er lachte und sah auf – in Micks erwartungsvolles Gesicht.
»Sie lesen Karlas Weltuntergangsalbum?« Sie kicherte. »Davon gibt es noch ein paar Exemplare mehr. Karla sammelt das Zeug seit ein paar Jahren.«
»Glaubt sie wirklich, dass
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