Last days on Earth: Thriller (German Edition)
verdammter Hurensohn, ich bring dich um, du elender Blutsauger …!«
Raoul sprang dazwischen. Es brauchte keine große Geistesanstrengung, um zu erkennen, wen er da in die Wohnung gelassen hatte. »Soll ich ihn rausschmeißen?«, fragte er und packte die Schulter des kleineren Mannes. Der wehrte sich weder gegen Raouls Griff noch gegen Karla. Er hielt ihre Handgelenke fest und schwieg.
Raoul sah Karla an. »Soll ich?«
Sie war totenblass, und ihre Augen glühten. »Nein«, sagte sie und machte sich mit einem Ruck frei.
Der Vampir ließ die Hände sinken. »Karla«, sagte er. »Es tut mir leid. Ich bin verantwortlich für deine Veränderung. Was auch immer du wünschst, werde ich tun.«
Raoul zog sich unangenehm berührt ein wenig zurück. Der Mann – Kit Marley – klang aufrichtig betrübt, aber nicht im Mindesten unterwürfig. Der Mischung aus Stärke und zärtlicher Sorge würde Karla, wie Raoul vermutete, nicht widerstehen können.
»Also gut«, sagte Karla schroff. »Meinetwegen. Wir reden, dann verschwindest du aus meinem Leben.«
Raoul unterdrückte ein Seufzen. Er mied den Blick des Vampirs und sah Karla an. »Möchtest du hier mit ihm …?«
»Nein«, sagte sie. »Wir fahren zur Villa. Das ist neutrales Gelände, und falls ich doch noch Lust bekomme, ihn umzubringen, hast du keine Probleme mit einer Leiche in deiner Wohnung.« Das klang so bitterernst, dass Raoul nur stumm nickte. Er beugte sich vor, küsste Karla auf die Wange und warf dem Vampir einen warnenden Blick zu.
Der erwiderte den Blick mit undurchdringlicher Miene und folgte Karla zur Tür.
»Wir sehen uns morgen Mittag«, rief sie Raoul noch zu, dann war sie weg.
Raoul wusste in diesem Moment mit klarer Sicherheit, dass er Karla für lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen würde.
12. 19. 19. 17. 17.
Nacht. Die dauernde Dunkelheit, in der sie sich bewegte, begann ihr auf die Nerven zu gehen. Sie stand auf dem großen Balkon, der zu ihrem Hotelzimmer gehörte, und blickte auf die Myriaden von Lichtern, die sich ohne Zweifel allergrößte Mühe gaben, die Nacht zum Tag zu machen. Aber es war nicht das Gleiche, ganz und gar nicht.
Karla stützte sich auf die Brüstung und starrte in das bunte, blinkende Gewimmel der Hochhäuser und zehnspurigen Straßen. Wo waren sie? War das Singapur oder schon New York? Sie hatte vor zwei Wochen begonnen, die Orientierung zu verlieren – oder, besser gesagt, sie hatte die Lust verloren, sich zu merken, in welchem Stadtmoloch ihr derzeitiges Hotelzimmer lag.
Egal, wo sie waren, Kit bestand darauf, eine Suite im obersten Geschoss in einem dieser gesichtslosen Hotels zu mieten, die es überall auf der Welt gab. Egal, ob sie in Sydney, Tokio, Bangkok oder San Francisco logierten – in ihrer Suite war alles ganz genauso wie in der letzten, das Frühstück schmeckte exakt gleich, die Dinnerkarte sah genauso aus wie die vorletzte und die übernächste, und manchmal glaubte Karla, dass sogar das uniformierte Personal immer dasselbe war – geklont, nur für den Einsatz in dieser Hotelkette hergestellt, künstlich, steril, lächelnd …
Sie hasste es so, dass sie am liebsten ihre Koffer genommen hätte und zum Flughafen gefahren wäre. Ein Flugzeug, egal wohin, nur weg von diesen schrecklichen Hotels.
»Ich bin es leid, Kit«, sagte sie und kehrte ins Zimmer zurück. »Wenn du weiter für Perfido den Botenjungen spielen willst, dann ist das deine Sache. Ich möchte nach Hause.«
Er blickte von der Zeitung auf, die er las. Sein Gesicht legte sich in besorgte Falten. »Komm her«, sagte er. »Ich massiere dir den Nacken.«
Sie legte sich neben ihn und streckte die Beine aus. »Ich will keine Massage«, wehrte sie ab. »Kit, das ist kein Leben für mich. Ich weiß manchmal nicht mehr, wo wir sind und welches Datum wir haben. Welche Jahreszeit, welcher Kontinent. Ich bin diese ewige Dunkelheit so leid.« Sie biss sich auf die Lippe.
Seine Hände berührten ihre Schultern und begannen sie sanft zu massieren. »Ich werde Perfido um Urlaub bitten«, sagte er. »Er wird nichts dagegen haben. Ich habe im letzten halben Jahr gute Arbeit geleistet.«
»Ist es dir so gleichgültig, dass er dir deinen Nachtclub weggenommen hat?«, fragte Karla heftig.
Seine Hände fuhren fort, ihre verspannten Muskeln zu kneten. »Es war nicht mein Nachtclub«, erwiderte er ruhig. »Ich war dort nur Geschäftsführer. Der Princeps …«
Karla machte sich los und drehte sich um, damit sie ihm ins Gesicht
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