Last days on Earth: Thriller (German Edition)
sein, junge Frau. Für mich ist es eine bedauerliche, aber da ich sie nicht verändern kann, unwesentliche Tatsache. Dieser Unglückliche ist tot, niemand kann ihn zurückholen. Aber meine unschätzbar kostbaren Bücher …« Er schnaubte und hob die Brille an, um sich mit einer gereizten Geste über die Augen zu reiben.
Karla warf einen schnellen Seitenblick zu Raoul, dann beugte sie sich vor. »Zu Ihren Büchern kommen wir auch noch, keine Sorge. Aber lassen Sie uns zuerst die unwesentlichen Details aus dem Weg räumen.« Sie lächelte den Wissenschaftler so schmelzend an, dass die Temperatur im Raum spontan um mindestens zwei Grad anstieg.
Dr. Meyrings Lider flatterten. »Oh«, machte er. »Ja. Natürlich, von Herzen gerne, meine liebe junge Dame.« Er riss die Schreibtischschublade auf. »Hier, dies sind meine Notizen. Ich mache mir zu allem, was hier im Hause vorfällt, detaillierte Notizen.« Sein Blick klammerte sich wieder an Karlas Kinn fest. »Das Datum …?«
Karla blickte auf ihre Unterlagen, aber Raoul war dank Brad schneller. »Danke«, sagte Karla. Ihre Stimme klang erstickt.
Dr. Meyring blätterte durch seine Notizen. »Hier haben wir es«, sagte er und begann vorzulesen: »5:30 Sigmundson Anruf. Einbruch, wahrscheinlich Diebstahl. Wachmann F. verletzt. Ambulanz bereits benachrichtigt. 6:00 Eintreffen, Besichtigung des Archivs. Auf den ersten Blick fehlende Bücher …« Jetzt folgte eine Liste, aber Karla unterbrach die Aufzählung nach dem dritten Titel.
»Lieber Herr Dr. Meyring«, sagte sie nicht ohne Schärfe, »Ihre Aufzeichnungen in Ehren, aber könnten Sie mit Ihren eigenen Worten schildern, was Sie an diesem Morgen alles bemerkt haben?«
Meyring sah sie ein wenig beleidigt an. »Aber es wäre weitaus wissenschaftlicher, wenn wir die Fakten …«
»Wir sind im Besitz der Fakten«, mischte Raoul sich ein. »Aber jetzt suchen wir nach dem, was möglicherweise nicht im Bericht steht.«
Dr. Meyring blickte auf seine verschmähten Notizen herab. Dann warf er sie in die Schublade zurück und fragte verschnupft: »Was soll ich Ihnen denn jetzt erzählen?«
»Wer hat die Leiche gefunden?«
»Das Reinigungspersonal ist über ihn gestolpert und hat dann Sigmundson angerufen. Das ist einer meiner Mitarbeiter.« Dr. Meyring kam in Fahrt. Er erzählte in epischer Breite, wie er den Anruf entgegengenommen hatte und sofort in die Bibliothek geeilt war.
Karla hörte sich alles geduldig an, aber Raoul sah, wie ihr Fuß nervös zu wippen begann. Schließlich bedankte sie sich bei dem Wissenschaftler und fragte ihn, ob er jemanden freistellen könne, der sie und den Kollegen Winter herumführen würde.
Dr. Meyring zeigte sich über diese Bitte nicht sonderlich erfreut, ließ sich aber widerwillig dazu herab, einen seiner Assistenten für sie zu rufen.
»Widerlicher kleiner Scheißer«, sagte Karla halblaut, während sie neben Raoul im Vorraum auf den Mitarbeiter warteten. Sie wühlte in ihrem Rucksack herum und sah auf die Uhr. »Schaffe ich es noch bis zwei zur Promenade, oder muss ich den Termin verschieben?« Sie hörte auf, ihren Rucksack umzustülpen, und stieß einen Fluch aus. »Ich habe vollkommen vergessen, Zigaretten zu kaufen.« Sie sah sich um. »Können Sie mir aushelfen?«
Raoul schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich rauche nicht.«
Karla sah ihn finster an. »Sie tun was nicht?«
»Ich bin Nichtraucher.«
Sie lachte. »Mann, ich hab die überquellenden Aschenbecher in Ihrer noblen Bude gesehen. Sie sind der inkonsequenteste Nichtraucher, der mir je begegnet ist.«
Raoul erwiderte nichts darauf. Er stritt sich mit Brad schon genug über dieses Thema. Immerhin waren es seine Lungen und seine Arterien, die der Daimon mit seiner Qualmerei zu teeren pflegte.
»Ich habe einen dienstlichen Termin, den ich ungern verlegen möchte«, sagte Karla. »Meinen Sie, Sie können das hier alleine erledigen?«
»Gehen Sie. Ich schaffe das schon. Wir treffen uns dann nachher – wo?«
Ein Lächeln erwärmte ihre kühlen grauen Augen. »Kennen Sie das River Café?«
Er nickte. Es gab nicht viele Cafés in so bevorzugter Lage, die auch Nichtmenschen und Untoten offen standen – das Café war eins davon. Der Wirt, hieß es, war ein Zombie. Nicht, dass man so jemanden jemals dort getroffen hätte – Zombies waren keine gern gesehenen Tischgäste.
»Dann treffen wir uns da.« Sie drückte erleichtert seinen Arm. »Für einen Dunkelmagier sind Sie wirklich in Ordnung, Langer.« Mit
Weitere Kostenlose Bücher