Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Gehör, das ein breiteres Spektrum an Frequenzen empfangen konnte. Eine Diskothek musste für ein Vampirgehör so etwas wie ein Folterkeller sein.
»Vielleicht war der Anschlag ein Versicherungsbetrug«, sagte Karla.
»Keine Versicherung zahlt bei terroristischen Anschlägen«, erwiderte Perfido. »Und keine Versicherung lässt sich davon abbringen, dass ein Sprengstoffanschlag immer eine terroristische Urheberschaft hat.« Er lachte. »Drachen. Die haben das Kleingedruckte erfunden!«
Karla schlug mit der Faust auf die Armlehne des Sessels. »Ich hatte Beweise für Ihre Beteiligung!«
»Untergeschobene Beweise. Sie haben mich dafür nicht festnageln können.«
»Gleichgültig. Es gibt genug andere Vergehen, für die Sie nachweislich verantwortlich sind!«
Er zuckte die Achseln. »Wenn Sie so weit sind, können Sie mich ja verhaften.« Er lächelte schmal. »Beziehungsweise Ihre ehemaligen Kollegen. Sie sind aus dem Spiel, Karla.«
Karlas Ohren dröhnten, als hätte sie einen Schlag über den Kopf bekommen. Ihr Streitgespräch mit Perfido war die reine Spiegelfechterei. Sie war aus dem Spiel, und dieser verfluchte Exsanguiniker dort hatte sie kaltgestellt. Er hatte seine Beziehungen spielen lassen, um sie aus dem Arrest zu holen – und damit war sie für die MID und den Weißen Zweig gebrandmarkt. Aussätzig. Gestorben.
Karla legte die Hände vors Gesicht. Jetzt erst wurde ihr mit Wucht klar, was das bedeutete. Sie war keine Weiße Hexe mehr. Sie war … was?
»Ein Mitglied meiner Gens«, hörte sie die seltsam mitfühlend klingenden Worte des Vampirs. »Ich biete Ihnen den vollen Schutz meiner Familie. Und ich erneuere mein Angebot, dass Sie für mich arbeiten können. Auf meinen Lohnlisten stehen auch Versatile …«
Karla riss den Kopf hoch. »Ich gehöre nicht zu den Versatilen! Und weder will ich zu Ihrer Gens gehören, noch werde ich für Sie arbeiten. Ich möchte jetzt gehen.«
Er nickte. Seine wasserhellen Augen ließen keine Empfindung erkennen. »Wie gedenken Sie in Zukunft mit Ihrem kleinen Blutproblem umzugehen?«
Karla starrte ihn an. »Maurizio hat es doch behoben.«
»Für den Augenblick, ja.«
»Für den Augenblick«, wiederholte Karla. »Wie lange wird dieser ›Augenblick‹ dauern?«
Perfido trank und schloss die Augen bis auf einen kleinen Schlitz. »Das kommt darauf an«, erwiderte er. »In der Regel zwischen sechs und neun Tage.«
Das bedeutete, dass sie sich mindestens einmal in der Woche von einem dieser Blutsauger anzapfen lassen musste. Karla stieß den Atem aus. »Das ist unschön«, sagte sie, um Fassung bemüht. »Kann man den Vorgang verlangsamen?«
Perfido schüttelte beinahe entsetzt den Kopf. »Um Nyx’ willen! Warum sollte man das tun?« Zum ersten Mal, seit sie ihm Auge in Auge gegenübersaß, zeigte der Princeps eine Emotion. Er schien von ihrer Überlegung geradezu angewidert zu sein.
Karla verzog das Gesicht. »Kommen Sie! Das hier ist für mich schlimmer als die Beulenpest. Ich kann doch nicht ein-, zweimal die Woche hier einlaufen und mich von einem Ihrer Familienmitglieder aussaugen lassen.«
Der Vampir beugte sich vor und griff nach ihrem Handgelenk. Sie konnte sich aus seinem eisenharten Griff nicht befreien. »Karla van Zomeren«, sagte Perfido leise und eindringlich, »ob es Ihnen nun passt oder nicht: Sie gehören zu meiner Gens. Sie sind eine Delicata, und sie produzieren das, was uns existieren lässt und unseren ewigen Hunger stillt. Niemand, der meiner engeren Familie angehört, behandelt eine Delicata anders als mit äußerster Hochachtung und Zuvorkommenheit. Sie sind ein Mensch – noch –, und Sie können deshalb nicht vollkommen bis ins Letzte nachempfinden, was Ihre Essentia für ein kostbarer Stoff ist. Aber eine Delicata wie Sie ist für jede Gens ein wertvolles und schützenswertes Mitglied.«
»Das interessiert mich nicht«, erwiderte Karla heftig. »Suchen Sie sich ein anderes Opfer für diese Rolle. Und wenn ich mir mein Blut im Krankenhaus abzapfen lassen muss …«
Sie hätte niemals damit gerechnet, dass er sie ohrfeigen würde. Er war schnell, so lidschlagschnell, wie nur ein Vampir sein kann. Der Schlag schleuderte sie in den Sessel zurück. Perfido hielt sie an den Schultern fest. Sie sah die rötlichen Funken in seinen wasserklaren Augen und schauderte.
»Sie werden nie wieder so etwas denken oder aussprechen«, sagte er leise und scharf. »Ihr Blut gehört der Gens. Ein Krankenhaus wird Ihnen keine Erleichterung
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