Last days on Earth: Thriller (German Edition)
die Mangel gedreht, aber gut.
»Kann ich mir die Zähne putzen?«, rief sie durch die Badezimmertür. Sie hörte ein Knurren, das sie als Einladung interpretierte.
Raoul lehnte am Waschbecken und inspizierte ihren Verband. Sie sah, dass er es strikt vermied, seinen Blick zum Spiegel schweifen zu lassen, auch als sie hereinkam. Er drehte sich mit einer vorsichtigen Bewegung um und streckte die Hand aus. »Du hast irgendwas mit mir gemacht«, sagte er. »Ich müsste mich viel schlechter fühlen.«
Karla sah mit Erleichterung, dass er nicht mehr ganz so eingefallen aussah wie noch gestern Nacht. »Wie geht es dir?«
Er berührte kurz ihre Wange. »Danke. Sehr gut, wenn man die Umstände bedenkt.« Er zog die Brauen zusammen. »Ich erinnere mich nicht an alles. Wie hast du es geschafft, mich in die Wohnung zu schleppen? Und wer hat die Wunde versorgt?«
Karla lehnte sich an den Türrahmen. Pourudhâxshtay. Verdammter Daimon. »Brad«, sagte sie knapp. »Er fand es toll.«
Raoul stand einen Moment lang wie erstarrt, dann lachte er kurz auf und drehte sich wieder zum Spiegel um. Karla sah über seine Schulter. Im Spiegelglas tanzten und höhnten die Fratzen, bleckten ihre scharfen Zähne, rollten mit den Augen, streckten lange schwarze Zungen heraus. So deutlich hatte sie diese Erscheinungen noch nie zuvor gesehen. Sie schauderte.
»Sieh nicht hin«, sagte Raoul ruhig. »Es sind Illusionen. In Wirklichkeit sehen sie ganz anders aus.«
Ein Bild blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Sich windende, glänzend schwarze, kopflose Schlangen. Eine Masse von vibrierenden, ölig schimmernden Seilen. Hier und da das weiße Aufblitzen von Stacheln – oder Zähnen? Seidig flüsternde Stimmen, die einen Namen raunten. Den Namen, den sie so gerne wieder vergessen hätte.
Karla riss sich von diesen Bildern los und legte ihre Hand auf Raouls Arm. »Lass mich den Verband wechseln«, sagte sie. »Sehen wir nach, ob du nicht doch ins Krankenhaus gehörst.«
Raoul ließ zu, dass sie ihn zu sich herumdrehte und nach der Schere griff. Er sah sie an. Karla erwiderte den Blick nicht. Sie musste immer noch daran denken, wie ihre Zauber gestern auf der Straße verpufft waren. Raoul wäre nicht verwundet worden, wenn sie nicht schändlich versagt hätte. Sie war unnütz, ein Klotz am Bein … »Es tut mir leid«, sagte sie und begann den Verband aufzuschneiden, der steif von getrocknetem Blut war. »Ich habe dich im Stich gelassen.«
Er griff nach ihrem Handgelenk und hielt es fest. »Du hast mir das Leben gerettet«, widersprach er.
Karla lachte bitter. »Ohne meine Herumpfuscherei hätte der Killer dich nicht angeschossen.«
»Das stimmt nicht ganz. Ich war zu langsam und habe falsch reagiert. Du hast getan, was du konntest.«
»Und das war nicht besonders viel wert«, erwiderte Karla wütend und löste den Verband. Sie starrte auf die Wunde. »Das … da war ein Riesenloch«, stammelte sie.
Raoul bewegte vorsichtig seine Schulter und tastete mit den Fingerspitzen über die Einschussstelle. Es war deutlich zu sehen, wo die Kugel ins Fleisch geschlagen war. Empfindlich gerötete, neue Haut bedeckte die Vertiefung im Fleisch, die aussah wie ein kleiner Krater. Kein Blut, kein zerrissenes Gewebe, keine Wunde. Nur eine frische rote Narbe.
Karla hob den Blick und sah Raoul an. »Wie hast du das gemacht?«, fragten beide gleichzeitig.
Karla schüttelte den Kopf. »Haben wir uns das eingebildet?«
Raoul drehte den Arm, dehnte die Schulter. »Es tut weh«, sagte er. »Aber nicht mehr so stark. Euer morphisches Feldzeugs scheint erstaunlich wirksam zu sein.«
»Vielleicht war es meine Essentia, die dich geheilt hat? Oder hast du selbst es getan?«
»Kaum«, sagte er trocken. »Ich war nicht bei Bewusstsein.« Er befühlte noch einmal die Vertiefung in seiner Schulter, zuckte die Achseln und zog sein Hemd an. »Brad wird es kaum gewesen sein. Obwohl er es könnte.«
Karla schauderte. »Brad ist ein Sadist.«
»Das sind sie alle.« Raoul knöpfte das Hemd zu und lächelte sie an. »Frühstück? Und dann versuchen wir herauszufinden, wer uns umlegen wollte?«
Bei der hastigen Durchsuchung der beiden Angreifer war nichts zutage gefördert worden, was hilfreich gewesen wäre. Karla wendete eine abgegriffene Reklamekarte zwischen den Fingern, die für einen Spielsalon warb. Raoul schob ein Zuckertütchen, zwei angestaubte Aspirin, einen Kugelschreiber und einen Streifen Kaugummi hin und her. »Als hätten sie vorher ihre Taschen geleert«,
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