Last days on Earth: Thriller (German Edition)
interessiert«, sagte sie scharf.
Er kicherte. »Ob du willst oder nicht, mein Liebling: Höre meinen Namen, bei dem du mich rufen wirst. Ich werde gehorchen, Königin meines Herzens. Ich muss gehorchen, wenn du meinen Namen rufst.«
Karla wollte ihn nicht hören. Sie wollte dieses Geheimnis nicht mit dem Daimon teilen. Es war schmutzig.
Seine Lippen kitzelten an ihrem Ohrläppchen, er küsste es und flüsterte dann: »Pourudhâxshtay.«
Karla verschloss ihre Ohren und versiegelte ihr Gedächtnis vor dem Eindringen dieses unheiligen Namens, aber es war umsonst. Er bohrte sich in ihr Bewusstsein wie ein giftiger Wurm, und sie erkannte, dass sie ihn nie wieder vergessen würde, solange sie lebte. Sie war unfähig, sich gegen ihn zu wehren. Der Name breitete sich aus, verankerte sich in jedes ihrer Neuronen, besetzte ihre Synapsen, klammerte sich an ihre Axone, brandete durch ihre Zellen und Blutgefäße, brannte in ihren Muskeln, pochte in ihren Augen. Pourudhâxshtay. Gebrandmarkt, gezeichnet, verseucht durch den Namen eines Daimons. Pourudhâxshtay.
Sie keuchte und stieß ihn von sich, musste sich bremsen, um ihn nicht zu schlagen.
Er fiel auf das Kissen zurück und schrie vor Schmerz. Karla sah in sein bleiches, gezeichnetes Gesicht und hob die Faust an den Mund, um nicht zu schreien.
Raoul verdrehte die Augen und wurde bewusstlos. Karla sondierte seine Lebenskraft. Sie glomm so schwach wie eine sterbende Kerzenflamme. Karla schloss die Augen und zwang ihre rasenden Gedanken zur Ruhe. Es war zu spät, um noch einen Notarzt zu rufen. Raouls Leben drohte unter ihren Händen zu erlöschen. Wäre Raoul ein Vampir, dann wäre jetzt alles ganz einfach. Selbst in seinem bewusstlosen Zustand hätte sie ihm Essentia geben können – wenn auch nicht ihr Blut. Aber das war vielleicht auch nicht nötig? Die Essentia war es, die den Lebensfunken erhielt.
Sie sah auf ihn hinab. Der Verband um seine Schulter zeigte rote Flecken. Raouls Gesicht war eingefallen wie das eines Sterbenden. Karla stieß den angehaltenen Atem aus und beugte sich vor. Sie legte ihre Hände auf seinen Solarplexus und seine Stirn, schloss die Augen und ließ die Essentia durch ihre Hände in seinen Körper fließen.
Sie versank in einen Dämmerzustand, in dem sie nicht mehr wusste, ob sie wachte oder schlief und träumte. Das stete Rauschen ihres Blutes, das leise Wispern, mit dem der Strom der Lebenskraft durch ihre Nerven summte, flüsterten durch ihr Bewusststein wie Stimmen, die in einer fremden Sprache redeten.
Der Körper, auf dem ihre Hände lagen, fühlte sich kalt und leblos an. Sie konnte weder Atembewegungen noch Pulsschlag in ihm spüren. War er unter ihren Händen gestorben, ohne dass sie es bemerkt hatte?
Tonnenschwere Gewichte schienen an ihren Lidern zu hängen. Sie hätte sich so gerne einfach nur neben ihn ins Bett gelegt, die Decke über ihren Kopf gezogen und geschlafen.
Raoul lag still da. Reglos wie ein Toter. Sie beugte sich vor, lauschte an seinen Lippen. Da war ein Atemgeräusch, leise, wie Wind, der durch Laub säuselt. Und an seiner Kehle pochte der Puls wie das Ticken einer Uhr. Raouls Gesicht war entspannt, blass, aber nicht mehr totenbleich.
Karla atmete erleichtert auf. Was auch immer diese unorthodoxe Weitergabe von Essentia bewirkt haben mochte – es hatte ihn allem Anschein nach nicht umgebracht.
Sie ließ ihre Hand auf seinem Arm liegen und drosselte den Strom der Lebenskraft, die von ihr zu ihm floss, zu einem stetigen Rinnsal. Noch war sein Zustand alles andere als stabil, aber Raoul lebte und würde es wahrscheinlich auch morgen noch tun.
12. 19. 19. 10. 18.
Karla erwachte mit einem Ruck. Helles Licht schien ins Zimmer, die Sonne war wohl schon aufgegangen. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war. Dann fiel es ihr wieder ein. Die Männer. Der Schuss. Raoul. Und Brad … Brad!
Pourudhâxshtay, flüsterte eine Geisterstimme.
Karla erhob sich auf die Ellbogen. Das Bett neben ihr war leer, nur der Abdruck eines Körpers und ein paar verschmierte rötliche Flecken auf dem Laken zeigten, dass Raoul noch vor Kurzem hier gelegen hatte. »Raoul?«, rief Karla. »Alles in Ordnung?«
Im Badezimmer schepperte etwas zu Boden, eine Stimme fluchte gedämpft.
Sie stand auf und streckte sich. Dann prüfte sie wie jeden Morgen ihren Blutdruck. Laut ihrem Kalender müsste sie schon wieder die steigende Notwendigkeit spüren, sich einstellen zu lassen, aber sie fühlte sich gut. Zerschlagen, durch
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