Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Vorgang nicht so?«
»Du bist unmöglich. Also laufen wir gleich bei dir ein. Mach dir keine Umstände.«
»Ich?« Quass lachte. »Niemals. Aber ich kann nicht für Horace garantieren. Er liebt Besuch.«
Raoul beendete das Gespräch und starrte nachdenklich vor sich hin.
Als Karla aus dem Bad trat, sah sie ihn fragend an. »Gewährt seine Hoheit uns Audienz?«
»Ja«, erwiderte er gedankenverloren. »Karla, darf ich dich etwas Persönliches fragen?«
Sie nickte. Ihre Miene zeigte äußerste Vorsicht.
»Wieso hast du mit Brad …« Er suchte nach Worten. »Was hat dich getrieben, ausgerechnet mit ihm …« Raoul sah ihr ins Gesicht und schüttelte resigniert den Kopf. »Entschuldige.«
Karla verschränkte schützend die Arme vor der Brust. »Du weißt nicht, was du da fragst«, sagte sie abwehrend. »Raoul, du hast keine Ahnung. Lass es dabei.« Sie wandte sich heftig ab.
Raoul sah ihr nach. So schmal war sie geworden. So blass. Er hätte sie so gerne in die Arme genommen. Es hatte sich gut angefühlt, wie sie den Kopf an seine Schulter gelegt hatte, einen Moment lang nachgiebig und weich in seiner Umarmung gelehnt hatte. Er schluckte plötzlich aufsteigende Wut hinunter. Brad, dieser Mistkerl. Er hatte Karla wehgetan, das konnte er sehen. Brad konnte nicht anders. Er lebte davon, anderen wehzutun, sie in Angst zu versetzen, sie zu quälen.
Er schloss die Augen und atmete tief durch, um die Wut wieder in den Winkel zu schicken, in die er sie einzuschließen pflegte. Kein Bedauern. Er war Brad, und der Daimon war Raoul. Sie waren nicht zu trennen. Nicht mehr.
Es wäre allerdings schön, wenn seine andere Hälfte ihm endlich die Informationen geben würde, die sie gesammelt hatte. Das war ihr Teil der Abmachung. Er musste irgendwann heute noch einen ruhigen Moment abpassen, in dem er Brad zur Ordnung rief.
»Gehen wir?«, sagte er rau.
»Ich bin fertig.« Karla stand neben der Tür, ihre Jacke in der Hand und den Rucksack über der Schulter. Sie blickte auf die Uhr. »Kommst du danach mit ins Hotch?«
»Wen triffst du da?«
»Einen Freund.« Karla zog eine dunkle Brille aus der Außentasche ihres Rucksacks und setzte sie auf.
Als sie im Auto saßen, richtete er seine Konzentration wieder auf ihren Fall, der ja im Grunde genommen nur noch sein Fall war. »Sind die Ermittlungen eingestellt worden?«, fragte er.
Karla schrak zusammen, sie war in Gedanken anscheinend weit fort gewesen. »Welche … ach so. Nein, ich glaube nicht.« Sie zuckte die Achseln. »Ich werde ja nicht mehr informiert. Aber es ist eine Magistra aufgetaucht, die sich als deine neue Partnerin vorstellen wollte, und Brad hat sie vergrault.«
Raoul begann zu lachen und verschluckte sich. »Habe ich vom Schwarzen Zweig Instruktionen erhalten, was meinen Teil der Arbeit betrifft? Hat Tora-san sich dazu geäußert?«
Karla sah aus dem Seitenfenster. »Sie weiß, dass ich mit Brad weitergemacht habe«, sagte sie gleichgültig.
Dann war wohl alles in Toras Sinne. Raoul hakte das ab, er würde später ohnehin noch mit ihr telefonieren müssen. Er ließ den Jaguar vor das Tor der Tiefgarage rollen und wartete. Karla blickte an der Fassade empor. »Hier?«, fragte sie ungläubig. »Raoul, das ist eine Bank!«
»Hm«, machte er zustimmend und legte den Gang ein, denn das Rolltor fuhr nach oben. Er lenkte das Auto auf seinen Stammplatz neben dem Aufzug und stieg aus.
»Ich bin beeindruckt«, sagte Karla. Sie folgte ihm in den Lift.
»Damit solltest du warten, bis wir oben sind.« Raoul grinste in das Kameraauge, das ihn aus der verspiegelten Decke anblinkte. »Hallo, Horace. Herr von Deyen erwartet uns.«
»Meine Güte«, murmelte Karla. »Gehört ihm der Laden?«
»Er behauptet, nein.« Raoul lehnte sich gegen die Wand.
»Ich ›behaupte‹ gar nichts«, erklang eine sanfte Stimme durch den Lautsprecher. »Raoul, du befleißigst dich einer für meinen Geschmack entschieden zu despektierlichen Ausdrucksweise.«
»Aber immer doch«, erwiderte Raoul und blinzelte Karla zu.
Der Aufzug hielt an, die Tür glitt auf. Raoul ließ Karla den Vortritt. Er genoss das Staunen in ihrer Miene, als sie sich in der Empfangsdiele umsah.
»Darf ich die Herrschaften um ihre Garderobe bitten?«, fragte der Butler, der still neben dem Aufzug gewartet hatte.
»Danke, Horace«, erwiderte Raoul und reichte ihm seine Jacke.
»Danke«, echote Karla. Sie wirkte ein wenig eingeschüchtert. Raoul erinnerte sich, wie die Umgebung und der distinguierte Butler
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