Last days on Earth: Thriller (German Edition)
ist für niemanden von deiner Spezies zu sprechen.«
Raoul beugte sich vor und sah Quass interessiert ins Gesicht. »Du hast noch ein As im Ärmel, ich sehe es dir an. Spuck’s aus.«
»Raoul, alter Freund«, der Drache rührte in seiner Tasse, »du weißt, ich bin ein altes und gerissenes Reptil. Und du hast mich in ein Xanass gedrängt. Das gefällt mir übrigens immer noch nicht, mein Lieber. Das war ein unfeiner Schachzug.«
Raoul nickte nachdenklich. »Das war es. Soll ich mich dafür entschuldigen? Brad hat mir auch schon Vorhaltungen gemacht.«
»Brad!« Quass ließ Funken aus seinen Nasenlöchern stieben. »Dein Daimon wird langsam unverschämt, Freund Raoul. Er hat mich vier geschlagene Monate deiner Gesellschaft beraubt! Das dulde ich nicht!«
»Ich werde es ihm ausrichten.«
Karla stellte ihre Tasse ab. »Gibt es hier ein Badezimmer?«
Quass winkte mit der Klaue. »Geradeaus, dritte Tür links. Lassen Sie sich ruhig Zeit, meine Liebe. Möchten Sie vielleicht ein Bad nehmen?«
Karla blinzelte mehrmals verblüfft, lächelte dann und schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich bin frisch geduscht.«
»Quass!«, sagte Raoul. »So etwas bietet man einer Dame nicht an!«
»Du hast dieses Angebot gelegentlich gerne angenommen«, erwiderte der Drache erstaunt und unerschütterlich.
Karla verließ die Bibliothek und die sich leise und freundschaftlich streitenden Männer und lehnte sich einige Atemzüge lang an die geschlossene Tür. Sie lachte in sich hinein. Was für ein Typ, dieser Quass! Sie kannte bis auf ihn keine Drachen persönlich und war in keiner Weise auf das vorbereitet gewesen, was sie heute erlebt hatte. Er war beeindruckend, skurril, mit vollendeten Manieren und gleichzeitig von exquisiter Unverblümtheit. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass Raoul seine Gesellschaft genoss – und umgekehrt.
Das Gästebad war größer und weitaus luxuriöser ausgestattet als das Badezimmer ihrer alten Wohnung. Quass’ Angebot, ein Bad zu nehmen, war kein Witz gewesen. Karla bewunderte die große, in den Boden eingelassene Wanne und das Arsenal an Ölen, Badezusätzen, Seifen und Duftwässern, das rundherum arrangiert war. Ein Stapel flauschiger Handtücher, mehrere Bademäntel und ein breites Sofa vervollständigten das Angebot. Karla erlag beinahe der Verlockung, sich ein heißes Schaumbad und danach ein Schläfchen zu gönnen.
Bedauernd kehrte sie der Pracht den Rücken, wusch sich nur die Hände und verließ das Badezimmer. Sie konnte die gedämpften Stimmen der Männer hören, leises Lachen, das melodische Klingeln von Gläsern.
Quass von Deyen besaß eine überwältigende Präsenz, die davon ablenkte, was er eigentlich war: ein Drache. Vor Urzeiten hatten die Drachen diese Welt beherrscht – lange bevor der erste Mensch den aufrechten Gang probiert hatte. Wenn man Quass plaudernd und teetrinkend in seiner Bibliothek erlebte, vergaß man ganz schnell, was er wirklich war. Karla hatte einen flüchtigen Blick auf das riesige, vieldimensionale, aus dem Æther nur teilweise in diese Welt ragende Drachenwesen werfen können, als sie die Bibliothek zum ersten Mal betreten hatte. Sein Körper hier war nur eine dreidimensionale Illusion, um mit den in ihrer Wahrnehmung begrenzten Menschenwesen interagieren zu können.
Karla wandte sich kurz entschlossen ab. Der Drache war abgelenkt, sie konnte sich ein wenig umsehen.
Die erste Tür, die sie öffnete, führte in einen saalähnlichen, nahezu unmöblierten Raum. Durch die großen Fenster strahlte die untergehende Sonne herein und tauchte alles in ein unwirkliches Licht. Kristalllüster glitzerten wie Diamanten. Karla kniff die empfindlichen Augen zusammen und schloss hastig die Tür. Ein Ballsaal? In einem Penthouse auf dem Dach eines Bankgebäudes, das einem Drachen gehörte? Wie absurd!
Kopfschüttelnd öffnete sie eine Tür auf der anderen Seite. Wohltuende Dunkelheit, dicht geschlossene Vorhänge. Die Umrisse eines Bettes schälten sich aus dem konturlosen Dunkel, in der Ecke schien ein großer Schrank zu stehen, am Fenster ein Tisch. Ein Schlafzimmer – womöglich für einen Gast.
Die nächste Tür führte in einen weiteren Korridor. Karla schloss sie wieder und übersprang die folgende, verschlossene Tür, nachdem sie vorsichtig an der Klinke gerüttelt hatte. Dann kam wieder ein offenes Zimmer, das mit seinem großen Schreibtisch, den Bücherregalen und der nüchternen Einrichtung wohl das Arbeitszimmer des Hausherrn darstellte. Karla trat
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