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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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große Frau nach europäischen Maßstäben.
    Das Zimmer, in das er trat, war am Tage hell und luftig, wenn
die großen Schiebetüren zum Garten komplett geöffnet waren. Aber jetzt waren
sie geschlossen, und Tora hatte Paravents davorgestellt.
    Matten bedeckten den Boden und dämpften Raouls Schritte. Kleine,
harte Kissen und Tische, kaum größer als ein Tablett, standen und lagen locker
verstreut im Raum. Tora-san besaß auch eine europäisch eingerichtete Bibliothek
im oberen Stock, aber sie hielt sich lieber hier auf, auch wenn sie las oder
schrieb und dabei unentwegt rauchte.
    Sie sah zu ihm auf und lächelte. Raoul legte die Hände zusammen und
verneigte sich. »Tora-san«, sagte er, »danke, dass du mich empfängst.«
    Â»Nicht so förmlich, Raoul, mein Junge.« Sie drückte ihre Zigarette
aus, nahm die schmale Brille ab und schob sie als Lesezeichen in ihr Buch.
»Setz dich. Schenk uns Tee ein.«
    Er kniete neben ihr nieder und hob die kleine, schwere Kanne.
Grüner, schwach nach Blüten duftender Tee floss in zwei unscheinbare Becher.
    Raoul nahm einen. »Das ist dein kostbarstes Geschirr. Danke.«
    Â»Du bist ein lieber Gast.« Sie trank und musterte ihn. Ihre
dunkelbraunen Augen verschwanden in einem Nest von Fältchen, und das glatt
zurückgekämmte schwarze Haar war silbern durchzogen. Das und die Lesebrille,
die sie inzwischen gelegentlich benutzte, waren die einzigen Anzeichen des
Alters, die Raoul an ihr feststellen konnte. Tora-san sah immer noch genauso
aus wie vor dreißig Jahren, als sie den kurz zuvor verwaisten Jungen zu ihrem
Lehrling gemacht hatte.
    Â»Du siehst müde aus«, sagte sie. »Was bedrückt dich? Der Auftrag,
den ich dir gegeben habe?«
    Er brauchte einen Moment, bis er wusste, wovon sie sprach. Dann
schüttelte er den Kopf. »Diese Raubsache, für die du mir das MID -Mädchen auf den Hals gehetzt hast? Das ist doch ein
Auftrag für einen Anfänger, Tora-san. Ich weiß nicht, was du daran so
bemerkenswert findest.«
    Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Sie stellte die Tasse ab
und zupfte an ihrem hellen Schal. Sie trug europäische Kleidung, eine bequeme
Hose und eine Hemdbluse. Wahrscheinlich war sie auch vor Kurzem erst von einem
Termin zurückgekommen und hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich umzuziehen.
    Â»Also, wenn es das nicht ist – was ist los?« Sie griff nach ihrem
Zigarettenetui. Bevor Raoul sie ihr anzünden konnte, hatte sie schon selbst das
schwere silberne Feuerzeug aufgeklappt und blies einen zartblauen Rauchfaden in
die Luft.
    Raoul suchte nach einer bequemen Haltung für seine langen Beine und
fand sie nicht, also schob er das Sitzkissen beiseite und saß auf der blanken
Matte. »Ich hatte Lust auf ein Gespräch«, sagte er defensiv. »Wie in alten
Zeiten.«
    Sie legte die Wange in die hohle Hand. Zigarettenrauch kräuselte
sich zur Decke. Ihre Augen, scharf und dunkel, musterten ihn. »Was hältst du
von dem Auftrag?«
    Â»Kinderkram.«
    Tora nickte nachdenklich. »Ich habe hier etwas für dich. Fang!« Er
schnappte nach dem, was sie ihm zuwarf. Es war eine dieser mikroskopisch klein
beschriebenen Schriftkapseln, mit der sie auch im Dienst ihre Mitarbeiter immer
zu quälen pflegte.
    Â»Ãœberlass das Brad«, sagte sie angesichts seiner missmutigen Miene.
»Das ist kein Problem für … Oh. Da liegt der Hund also begraben.« Sie
stieß mit angewiderter Miene Zigarettenrauch durch die Nasenlöcher. »Wo ist
er?«
    Â»Fort«, erwiderte Raoul kurz. Er hatte sich eigentlich bei ihr Rat
holen wollen, vielleicht auch Trost, aber ihre beinahe amüsierte Miene trieb
ihm den Impuls aus. Spott war das Letzte, was er jetzt vertragen konnte.
    Â»Fort«, wiederholte sie. »Gut. Wann, wie, warum?«
    Raoul seufzte. Er berichtete, was sich zugetragen hatte.
    Tora lauschte konzentriert und nickte, als er geendet hatte. »Und
jetzt?«
    Er hob die Schultern.
    Tora schüttelte ungeduldig den Kopf und drückte die Zigarette aus.
»Das ist keine Antwort«, sagte sie scharf. »Was willst du?«
    Â»Ich will, dass er zurückkehrt. Was sonst?«
    Sie sah ihn an. Nickte resigniert. »Wo stehst du?«
    Â»Am Abgrund«, entfuhr es ihm. »Tora-san, was willst du hören? Du
weißt, wie lange ich ihn schon beherberge.«
    Â»Ich weiß es«, bestätigte sie. »Und ich

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