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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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meine mich zu erinnern, dass
ich es war, die dir abgeraten hat, ihn zu bewirten. Raoul?«
    Er senkte den Blick auf seine Hände. Sie hatte ihm abgeraten, sogar
sehr energisch, aber er hatte damals dennoch seinen Kopf durchgesetzt. Bereute
er es?
    Â»Nein«, sagte er schließlich. »Ich bereue es nicht, Okā-san.«
    Die Anrede »Mama« brachte sie wie erwartet zum Lächeln. Sie beugte
sich vor und klopfte auf seine ineinander verklammerten Finger. »Entspanne
dich, Raoul! Wenn du es nicht bereust, ist es gut. Auch wenn ich dir nach wie
vor raten würde, dich auf ein Leben ohne Daimon einzurichten. Ich finde es
überaus bedauerlich, dass ein so talentierter Junge wie du ein vorzeitiges Ende
nimmt.«
    Das war klar, nüchtern und brutal. So kannte und schätzte er Tora.
Er nickte knapp.
    Ihre nächste Frage überraschte ihn. »Darf ich dich sondieren?«
    Er riss die Augen auf, einen Moment lang sprachlos. Das war nichts,
worum ein Magier einen anderen bat. Er zögerte. Sie wartete geduldig. Raoul gab
sich einen Ruck und legte seine Hände in ihre. »Bitte, Roshi.«
    Â»Nenn mich nicht so«, sagte sie automatisch, aber ihre Konzentration
lag anderswo. Sie fing seinen Blick und hielt ihn fest. Ihm wurde schwindelig.
Dann verlor er jedes Gefühl für Zeit und Raum.
    Â»â€¦Â etwas zu trinken?«
    Sein Blick war verschwommen. Toras Gesicht tanzte vor ihm auf und
ab. Er schluckte und schloss die Augen. Wenig später fühlte er, wie ein Glas in
seine Hand gedrückt wurde. Kühle Flüssigkeit schwappte über und befeuchtete
seine Finger. Er hob es mit zitternder Hand und trank. Er verschluckte sich und
hustete. Sein Kopf wurde langsam wieder klar.
    Â»Besser?«, fragte Tora und nahm ihm das Glas ab. Er nickte.
    Â»Du solltest nicht mehr über Brad nachdenken«, sagte Tora. »Die Schäden
in deiner Substanz sind gravierend. Raoul, ich bitte dich sehr inständig: Falls
dein Daimon zurückkehrt, lass ihn nicht ein!«
    Â»Können wir das Thema beenden?«, entgegnete Raoul schroff.
    Tora senkte den Kopf. »Ich gebe mich notgedrungen geschlagen«, erwiderte
sie kühl. »Du bist erwachsen, du musst wissen, was du tust. Obwohl ich dir als
Großmeisterin befehlen könnte …«
    Â»Ich würde dem Befehl nicht Folge leisten«, unterbrach Raoul sie.
»Tora-san, lass es gut sein. Ich weiß, was ich tue.«
    Â»Weißt du das?« Sie hob die Hände und ließ sie resigniert wieder
sinken. »Gut. Warum bist du gekommen?«
    Er wusste es nicht mehr. Es war ein Impuls gewesen, die irrationale
Hoffnung, Hilfe oder wenigstens ein mitfühlendes Wort bei seiner alten Lehrerin
zu finden. »Es war dumm. Vergib mir, dass ich deine Zeit stehle, Tora-san. Ich
verabschiede …«
    Â»Bleib sitzen«, sagte sie scharf. »Du wirst mit der jungen Frau von
der MID zusammenarbeiten, aber ihre Dienststelle
besitzt nicht alle Informationen. Da dein Daimon gerade nicht zur Verfügung
steht, werde ich sie dir übermitteln.«
    Â»Du?«, fragte Raoul verblüfft.
    Â»Ich«, erwiderte Tora und zog die Braue hoch. Sie griff wieder nach
ihren Zigaretten. Raoul beugte sich vor, nahm das Feuerzeug und ließ es mit
einem satten Klicken aufspringen. Tora bedankte sich geistesabwesend. Sie inhalierte
und hielt den Atem an. Mit einer schnellen Handbewegung griff sie nach Raouls
Kopf, und ehe er zurückzucken konnte, lagen ihre Lippen auf seinen, und kalter,
nach Menthol und Zauber schmeckender Rauch drang in seinen Mund. Er füllte
seine Mundhöhle aus, stieg in seine Nase und seine Augen, drang in seinen Kopf,
seinen Hals, seine Gedanken und Erinnerungen, in die Leere, die Brad
hinterlassen hatte. Information. Klares, kaltes, nüchternes Wissen. Es hatte
nicht den heißen, vor Blut, Angst und rohen Emotionen triefenden Beigeschmack,
der Brads Strom von Informationen begleitete und an den Raoul sich so sehr
gewöhnt hatte, aber es war dennoch das, wonach er so sehr gierte. Information.
Lebenssaft. Energie. Er sog sie auf wie ein Verdurstender, labte sich daran,
sog noch das letzte Tröpfchen Nektar aus dem fremdartigen Datenfluss.
    Dann nahm er die Außenwelt wieder wahr, aber sein Verstand begann
sofort das Empfangene einzuordnen und würde damit auch noch eine Weile
beschäftigt sein. Er ließ diesen Teil des Gehirns wie gewohnt arbeiten und
wandte sich Tora zu, die wieder mit

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