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Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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oder gar eines willentlichen Versagens nicht generalisieren. Die entscheidenden Aussagen des Apostolischen Stuhls sind selbst Ihnen in der Theologischen Fakultät zugänglich.» «Damit beschränken Sie die Verantwortung für das Reich Gottes wieder auf die Priester und Ordensleute, als könnte das nur durch ihren besonderen Dienst entstehen.Aber sind wir nicht alle dazu aufgerufen, in dieser Hinsicht lebendige Zeichen zu setzen? Jeder auf seinem Platz, auch der Zölibatär, und wenn er heiratet, dann eben als verheirateter Priester, der in gleicher Weise mit der ‹Gnade› des Verständnisses für Menschen gesegnet sein kann. Und das gilt in gleicher Weise für Laientheologen im kirchlichen Dienst, die von ihrer Berufung her mit Bestimmtheit, wie's kürzlich in einem törichten Leserbrief im Bistumsblatt geheißen hat, keine ‹ Pseudo-Pfarrer › sind oder sein wollen.» «Solche Abwertungen sind nicht mein Niveau», bemerkte Glöcklein leise. Er hatte vergessen, an der Zigarre zu ziehen. Asche fiel zu Boden.
    «Ob sich allerdings ein Fünftel des Weltklerus», fuhr Laubmann ungeniert fort, «das sich in den vergangenen Jahrzehnten vom Zölibat verabschiedet hat, noch als jeweiliger ‹Einzelfall › diffamieren läßt, ist eine Gewissensfrage. Sie sollten sich, statt die Betroffenen mit einer solchen Bezeichnung herabzuwürdigen, besser in geschwisterlicher Liebe jedem ‹Einzelfall› zuwenden. Denn vor Gott sind wir doch alle ‹Einzelfälle ›. Gott sei Dank.» «Sie werden spitzfindig.»
    «‹ Spitzfindig › meinen Sie; ich halte das für christlich.» «Mit dieser Haltung, mein lieber Herr Dr. Laubmann», beendete Prälat Glöcklein unversehens und mit einem gebieterischen Unterton die Diskussion, «werden sie keine Aussicht auf eine Professur an unserer Theologischen Fakultät haben. Unter diesen Voraussetzungen brauchen sie sich gegebenenfalls gar nicht die Mühe machen, sich zu bewerben.» Die Zigarre war erloschen.
    «Das haben Sie nicht allein zu bestimmen.»
    «Verschätzen Sie sich nicht, was meinen Einfluß anbelangt.»
    «Ich kann Ihre Besorgnis zerstreuen. Bis ich soweit bin, um mich zu bewerben», sagte Laubmann leicht resignativ, «sind Sie womöglich schon außer Dienst.»
    «Sie pflegen zu viele Nebeninteressen, Herr Doktor.» «Ich bitte Sie, jetzt werden Sie wieder zu persönlich.» Laubmanns wunder Punkt. «Ich habe gedacht, wir könnten uns zum Abschluß exegetisch und historisch ein klein wenig über die Mehrdeutigkeit von Bibelstellen und Konzilsdekreten zum Thema ‹Zölibat › streiten. Ich fürchte jedoch, Sie halten das Thema für ausdiskutiert. Das macht aber gar nichts; mir geht das bereits seit Jahren so.»
    «Ich werde mir wohl einen Vermerk in Ihrem Dossier notieren müssen.» Prälat Glöcklein lehnte den Fensterflügel am Fensterkreuz an, denn der Generalvikar hatte vor kurzem sein Büro verlassen, was Glöcklein gesehen und was seinen Gesprächsenthusiasmus entscheidend gedämpft hatte. Der Prälat kehrte an den Schreibtisch zurück, auf dem unberührt die Predigtblätter über das Schweigen und die Demut lagen.
    «Dann will ich Sie nicht länger von Ihrer Textarbeit abhalten», erlaubte sich Laubmann spießig zu übertreiben. Glöcklein vollführte eine müde Geste. «Ich danke Ihnen für dieses offene Gespräch; hoffentlich fruchtet es was.» Laubmann, der zur Tür schritt, fügte gleich hinzu: «Ach, eine Nachricht hätte ich noch, an den Herrn Generalvikar, wenn Sie's übermitteln möchten: Der Innenhof hat eine schwache Akustik.»
    «Sie unverschämter…», Albert Glöcklein verschluckte ein Schimpfwort. «An Ihnen hat die Kirche schwer zu tragen.» «‹Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.› Doch ‹wer sich einbildet, etwas zu sein, obwohl er nichts ist, der betrügt sich.› Brief an die Galater, Kapitel 6.» Philipp Laubmann deutete eine Verneigung in selbstkritischer Demut an und öffnete die Tür. Ein plötzlicher Windstoß wirbelte die Predigtblätter durcheinander.

XX
    Sie gingen über den nicht sehr geräumigen, schmucklosen, geteerten Hinterhof der Universität, der vorwiegend als Abstellplatz für fahrbare Müllcontainer und wild durcheinander gestellte Fahrräder der Studierenden genutzt wurde. Allein in einer Ecke überlebte ein verwachsener und vorne rücksichtslos abgerissener Strauch; möglicherweise Holunder. Die beige Farbe der nahezu fensterlosen Gebäudefassaden, die den Hof umgaben, war abgeblättert und

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