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Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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hätte dringend einer Auffrischung bedurft.Aber hier befand sich eben nicht die Schauseite der Theologischen Fakultät, sondern bloß ein außer von Fahrradfahrern kaum frequentierter Hintereingang, der im Grunde nur zu einigen Lagerräumen der Bibliothek führte – und über eine rückwärtige Stiege zur Direktion. Deshalb hatte deren Leiter, Dr. Prestl, die Polizei gebeten, diesen Eingang zu benutzen.
    Glaser war zornig: «So ein Getue.» Er öffnete die selbsttätig ins Schloß fallende Stahltür am Eingang und hielt sie Lürmann auf, und der wiederum ließ Laubmann den Vortritt. «Darauf hätt' ich mich nie einlassen sollen.» Lürmann bemühte sich um einen sorgfältigen Umgang mit den mitgebrachten Geräten: ein veraltetes Tonband, Mikrophon und mehrere Kabel. Er konnte es dennoch nicht vermeiden anzuecken. Der selten genutzte Zugang war nicht komfortabel. «Hat Dr. Prestl nicht Kooperation signalisiert? Ich mein, wozu schlepp ich denn sonst das Aufnahmegerät mit?» Bisweilen mißfiel es ihm, Handlangerdienste leisten zu müssen, als wolle man ihm seine kriminalistische Kompetenz absprechen.
    «Stiekum durch die Hintertür», gab Laubmann zum besten, was jiddisch war und heimlich hieß und keiner der sonst Anwesenden verstand.
    Glaser blieb zornig. «Nur weil der Herr Bibliotheksdirektor in spe nicht im Umkreis des Kommissariats beobachtet werden möchte, weil er um seine Karriere fürchtet!» «Was soll unsereins da sagen, die wir täglich dort zu tun haben.» Der Witz Laubmanns kam nicht an.
    «Meint, er kann uns einfach zum Tonbandprotokoll bestellen. Und später dürfen wir's ihm dann gnädig zur Unterschrift vorlegen. ‹Käme allen Beteiligten entgegen.› Und wir dürfen über den Hinterhof reinschleichen. Was daran weniger indiskret sein soll?» Glaser brachte seinen Groll nicht an; wollte es auch gar nicht.
    «Ich halt das gar nicht für so unüberlegt», erwiderte Laubmann. Sie schritten einen einsamen Gang entlang, um an dessen Ende über eine steile und schmale Holzstiege ins obere Stockwerk zu gelangen. «Unliebsame Blicke könnten uns überall leichter treffen als hier. In dem Hinterhof treibt sich nie jemand herum; die Büros der Sekretärinnen und Dozenten gehen nach vorn raus oder zum eigentlichen Innenhof. Das Zimmer des Bibliotheksleiters war schon immer abgelegen, weil ihn ja der Lehrbetrieb direkt nichts angeht. Außerdem muß die Anlage historischer Gebäude logistisch überhaupt nicht nach modernen Gesichtspunkten ausgerichtet sein. Und Prestl ist ein altmodischer Mensch.» «Ach was, der ist ein ewiger Streber. Einfach paradox, unser Verhalten. Es gibt in diesem Fall sowieso zu viele Hintertüren.»
    Dann schwiegen sie, weil der Hall ihrer Stimmen weit vorausklang.
    ­
    Berthold Prestl glaubte, es geschickt angestellt zu haben. Er hatte sein Büro für den erwarteten Besuch präpariert, denn er wollte sich das polizeiliche Personal auf Distanz halten, selbst aber in seinem lederbezogenen Arbeitssessel hinter seinem altertümlichen Arbeitstisch dominierend wirken. Als würde er dadurch einen Vorteil haben.
    Zu diesem Zweck hatte er auf die in größerer Anzahl vorhandenen Stühle absichtlich Bücherstapel gestellt, so daß für den Kommissar nur noch ein entfernt stehender Stuhl übrigblieb und für Lürmann und Laubmann eine hölzerne Bank an der Wand, die bei jeder Bewegung eines darauf Sitzenden zu schwanken anfing. Der Holzboden war uneben. Die Bank knackte und ächzte ebenso wie die Dielen des historischen Bodens. Philipp Laubmann erinnerte die Anordnung der Bücher auf den Stühlen an seine eigene unaufgeräumte Hausbibliothek, nur daß Karteikarten fehlten. Und das Verhalten Prestls erinnerte ihn an das Glöckleinsche Gehabe, auch die leicht nach vorn gebeugte, herablassende Körperhaltung bei der Begrüßung der erwarteten Besucher, obgleich dem kommissarischen Bibliotheksdirektor kein Kreuz im Genick saß, sondern die prangende Galerie seiner Vorgänger, und daß statt einer Kreuzigungsgruppe eine kostbare Bibel aus der Frühzeit des Buchdrucks seitlich auf dem Tisch drapiert war.
    Ernst Lürmann schob die Bibel dienstlich beiseite. Privat hatte er nichts gegen das Buch der Bücher einzuwenden. Er hatte direkt vor Prestl das Tonbandgerät für die Vernehmung einzurichten, wobei sich ein greller Sinuston nicht vermeiden ließ, der ihm schrill in die Ohren fuhr, als er bei einer Sprechprobe mit dem Mikrophon zu nahe an den auf große Lautstärke eingestellten Kopfhörer kam.

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