Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
stand deshalb gleichfalls auf, um seinem Widerpart Paroli zu bieten. Er wußte zuerst nicht, wohin mit seinen Händen, trat dann jedoch hinter die Rückenlehne des barocken Gästestuhls und legte sie darauf, immer wieder gestikulierend. «Sie werden es mir auch nicht glauben, aber ich respektiere den Zölibat durchaus; ich habe die höchste Achtung vor Männern und Frauen, die ehelos leben, um der Welt und Gott zu dienen, Gott zu suchen, als Priester oder in den Klöstern. Ich hab selbst Freunde dort, wie Ihnen Ihr Beauftragter sicher berichtet hat.»
«Ich bemerke wohl, daß Ihnen Ihre kleine Inszenierung, einen Priester zu umzingeln, eine eigentümliche, ja bedenkliche Freude bereitet hat. Und das bestärkt mich in der Schlußfolgerung, daß ein Nichtpriester wie Sie, der die Theologie eher zur Kritik gebraucht, das zölibatäre Leben nicht verstehen kann. Weshalb wohl entscheiden Sie sich nicht für das Priesteramt.»
«Ich weiß die Ehre zu schätzen, wenn man gleichsam vom priesterlichen Olymp herab gefragt wird, warum man sich als Theologe nicht ganz Gott hingeben und Priester werden will. – Erstens: Ich fühle mich als bloßer Theologe nicht wie ein halber Mensch, sondern als ganzer Mensch, der sich zweitens ganz von Gott angenommen glaubt, wie ich als Mensch eben so bin, genauso unvollkommen wie jeder Priester-Mensch auch. Drittens: Gerade weil ich die Ehelosigkeit und die Keuschheit nicht leichtfertig übergehen will, habe ich für mich noch keine endgültige Entscheidung für oder gegen eine Priesterweihe getroffen, unabhängig davon, daß ich den Zölibat als kirchliches Gesetz nicht für sinnvoll halte.»
«Dann begreifen Sie nicht», Glöcklein rauchte aufgeregter, «daß die Berufung zum Priestertum und zum zölibatären Leben eine von Gott den Auserwählten geschenkte Gnade ist!» Ein Hustenreiz machte sich bemerkbar.
«Herr Prälat», Laubmann sprach ganz gelassen, «Gott in seiner Allmächtigkeit bevorzugt niemanden eines Amtes oder eines Titels wegen, und verzeihen Sie, sogar Prälaten nicht, davon bin ich felsenfest überzeugt. Und wenn er einem Menschen eine Gnade zuteil werden läßt, dann heißt das noch lange nicht, daß die Menschen oder die Kirche darüber verfügen können. Halten Sie es denn nicht für möglich, daß Gott in seiner Allmacht und in seiner Güte eine einmal erteilte Gnade durch eine andere, zum Beispiel die Ehe, ‹ ersetzen › kann? Oder meinen Sie ernsthaft, daß alle diejenigen, die an ihrem zölibatären Leben scheitern, von Gott ausgestoßen werden oder sich nur dem Lustprinzip hingeben?»
Glöcklein schob das Fenster weiter auf, hustete kurz. «Sie verkennen den freien Willen dabei. Niemand wird von der Kirche gezwungen, Priester zu werden, sondern jeder Kandidat muß das ausdrücklich freiwillig tun. Mit Ihrer Ansicht, nach der jeder mit seinem geleisteten Versprechen umgehen kann, wie er will, um sein Versagen dann einfach auf Gott zu schieben, öffnen Sie der Sünde Tür und Tor.» « … und Fenster. Nein, überhaupt nicht. Das wäre der Fall, wenn ich zur Leichtfertigkeit aufrufen würde, was ich aber gerade nicht tue.Außerdem ist uns beiden doch klar, daß die Willensfreiheit eine relative ist, weil uns die Lebensumstände nun wahrlich nicht alle Möglichkeiten offenhalten. Nur, wenn wir schon wissen, daß Priester am Zölibat zerbrechen können oder, wenn Sie so wollen, von der ‹ Gnade› einer partnerschaftlichen Liebe wie unser Professor Konrad berührt werden, dann plädiere ich im Sinne der Menschlichkeit – und ich glaube, auch im Sinne der verzeihenden Liebe Gottes – dafür, daß diese Menschen die Chance haben, sich ihrem Scheitern zu stellen und wohlüberlegt ihr Versprechen zu ändern. Oder es von vornherein mit Hilfe der Kirche anders zu gestalten, weil eben das menschliche Scheitern nicht einfach nur auf Gott zu schieben ist und erst recht nicht absichtlich herbeigeführt wird. Hören Sie sich bitte einmal Erfahrungsberichte an, die zum Beispiel im VkPF geäußert werden, in der ‹Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen›.»
«Herr Dr. Laubmann, die Aussagen der Kirche zum Zölibat sind eindeutig. Es gibt schließlich Konzilsbeschlüsse und eine entsprechende Tradition, die sich vom frühesten Bestehen der Kirche an entwickelt hat. Den Zölibat gilt es als ein heiliges Gut für diese Welt zu bewahren, denn er ist ein echtes Zeichen für den Anbruch des Reiches Gottes hienieden. Wir dürfen die Einzelfälle des Scheiterns
Weitere Kostenlose Bücher