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Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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Hilfe zu Seite gestellt, die Laubmann als unnötig erachtete. Professor Hanauer vertrat allerdings die Ansicht, daß sein Assistent sie besonders nötig habe, um das Chaos zu sichten und letztendlich mit der Habilitation voranzukommen. Das stimmte schon, überlegte Laubmann, und war zugleich unrichtig. Sein Chaos fördere schließlich seine Kreativität, und um seine geheimnisvolle Ordnung zu durchblicken, wäre mehr als ein oberschlauer Zweiundzwanzigjähriger nötig.
    Und der benahm sich lästig. Denn wenn er zweimal in der Woche die anderthalb Stunden für Dr. Laubmann tätig war, die sein Vertrag vorsah, klopfte er nicht mal an, wenn er das Zimmer betrat. Philipp schrak immer hoch, konnte sich in keinen Gedankengang mehr ungestört vertiefen. Es war gewiß bequem, nicht selber am Kopiergerät stehen und Buchkopien anfertigen zu müssen; nur, es widerstrebte diesem Grünschnabel, Kopien zu erstellen. Er war anders als Laubmann von der Allmacht des Computers voll und ganz überzeugt, wollte alles, jedes und jeden digitalisieren, wollte überhaupt kein Buch mehr zu Hand nehmen und behandelte unglaublicherweise sogar den allmächtigen Gott wie eine digitale Erscheinung.
    «Wissen Sie eigentlich», wurde Philipp von seiner Hilfskraft belehrt, «wie perfekt das Karteiprogramm Ihres PCs arbeitet? Da können Sie alle Ihre Karteikarten wegwerfen. Sie finden über Suchfunktion sofort und jederzeit genau das, was Sie wollen, und haben somit nicht den geringsten Platzverbrauch. Und sobald Sie Ihre Festplatte mit dem neuen Betriebssystem aufgerüstet haben, können Sie auch noch TV empfangen!»
    Das verdarb einem jede aufkeimende Freude am Computer, die sich bei Philipp seit Beginn der E-Mail-Kontakte mit Neuseeland sehr wohl eingestellt hatte. «Nach Ihrer Methode muß ich finden, was vom Programm gesucht werden kann. Ich möchte aber die Freiheit besitzen, auch zu suchen, was sich nicht finden läßt, oder etwas zu finden, was ich nicht suche. Und bei Matthäus heißt es im siebten Kapitel: ‹Sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet ›. Also bitte nächstens anklopfen!» Endlich war die Hilfskraft, zu Laubmanns Erleichterung, gegangen. Er erklärte bald darauf seine Arbeiten, selbst die an seiner Habilitation, für beendet, für diesen Tag zumindest. Zum Schluß hatte er, wie aus Trotz, eine neue Karteikarte mit dem Stichwort «Unendlichkeit» angelegt, worin sich nämlich Unendlichkeiten unterscheiden, wenn sie einen Anfang haben oder wenn sie keinen Anfang haben. Darüber wollte er demnächst nachdenken. Abschließend wollte er noch irgend etwas erledigen; nur wußte er nicht mehr, was es war. ‹Ein Besuch in der Bibliothek war es nicht, was ich wollte›, brummte er vor sich hin, während er aus dem Fenster schaute, das gekippt war.
    Laubmanns Blick war zwar oft gedankenverloren, aber nie ungenau. Schon registrierte er eine dramatische Konstellation: Konrad und Prestl hatten von den zwei sich gegenüberliegenden Schmalseiten her den Innenhof des alten Universitätsgebäudes betreten und bewegten sich auf dem in der Mitte verlaufenden und von Hecken gesäumten Weg aufeinander zu, so daß einer dem anderen nicht ausweichen konnte. ‹Das mußte mal so kommen, daß die sich begegnen ›, freute sich Philipp insgeheim und betrachtete, was geschehen würde. Im ersten Moment sah es fast so aus, als hätten sie sich unter dem jesuitischen Schwarznußbaum verabredet, Juglans nigra, dessen Früchte mit der europäischen Walnuß verwandt, jedoch nicht eßbar sind, da sie einen schwefeligen Geruch verströmen. ‹Solches sagt man auch dem Teufel nach›, sinnierte Laubmann.
    Prestl hatte bereits zwei Drittel des Wegs zurückgelegt, während der zögerliche Konrad noch näher am Ausgangspunkt war, als sie aufeinandertrafen. Sie blieben beide, auf Abstand bedacht, stehen, mehr zaudernd, als hätten sie überlegt, ob sie nicht bloß einfach aneinander vorbeigehen sollten. Konrad hielt sich kerzengerade, die Schultern zurückgenommen, eine feine schmale Aktentasche wie einen Schild vor seiner Brust umklammernd. Prestl stand ein wenig nach vorne gebeugt, die Füße in Schrittstellung haltend, eher wie ein Angreifer.
    Aus der Körperhaltungen der beiden zueinander konnte Laubmann leicht schließen, daß es einen Streit geben würde, genauer gesagt: daß er bereits begonnen hatte und weiter anzuschwellen drohte.
    Die Stimmen wurden lauter, die Aggressionen nahmen zu. Bald waren deutlich einzelne Worte

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