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Laubmann 2 - Bärenzwinger

Laubmann 2 - Bärenzwinger

Titel: Laubmann 2 - Bärenzwinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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universitäre Hilfskraft, ein Student im fünften Semester, immer wieder drängte, insbesondere seine Karteien per Computer zu «verwalten». Aber da ging Laubmanns Devise vor: Nur ein handschriftlich verfaßter Text ist ein authentischer Text.
    Und wie sollte er Elisabeth nun anreden? – Vielleicht sollte er doch bei der ersten Formulierung bleiben: «Liebe Elisabeth …» Das beinhaltete alles, was er derzeit ausdrücken wollte und sich auszudrücken erlaubte. Zudem war eine E-Mail per definitionem ja nicht sonderlich authentisch.
    Eine fast zu geräuschlose Nacht heute, fand Laubmann mit einem Mal. Kein Gespenstergeraschel wie neulich, nichts Geheimnisvolles. Als habe der Tod sich in der «Gespensternacht» angekündigt und nun seine Arbeit verrichtet. – Genau diese Worte schrieb er an Elisabeth. Er hielt den Text für einigermaßen neutral und speicherte ihn als vorläufigen Entwurf.
    Laubmann trank Kamillentee, eines seiner Lieblingsgetränke. Eine Kanne, eine Tasse, Löffel und Süßstoff hatte er neben dem Laptop plaziert. Bier hätte ihn wahrscheinlich am Ende dieses langen Tages ebenso beruhigt, wegen des Alkohols und des Hopfenanteils, doch das war ihm einfach zu kalt; zu kalt und zu schwer. Kamillentee hingegen konnte Laubmann endlos trinken.
    «Laß mich bei dir sein, so nah bei dir sein …», hörte er die rauchige Stimme der Knef. Elisabeth und Philipp pflegten sich in ihren Kontakten zwar mit den Vornamen anzusprechen, bezüglich des Personalpronomens jedoch waren sie beim «Sie» geblieben. Elisabeth wäre eigentlich dran gewesen mit dem Schreiben. Bedauerlicherweise hatte er keine neue Nachricht von ihr vorgefunden, als er das Programm geöffnet hatte. Aber vielleicht kam ja noch was. Dort auf der anderen Seite des Globus war es gerade Vormittag. Und die E-Mails aus Neuseeland dauerten manchmal ein wenig länger, hatte Laubmann den Eindruck.
    Er zog sein weißes, leinenes, gespenstisches Nachthemd zurecht, damit es sich an den Stuhlbeinen nicht verhedderte. Sollte ich Gisela von Elisabeth berichten, sinnierte er, gerade als sich das erwartete E-Mail Elisabeths ankündigte! An der Absendezeit erkannte er, daß es sich tatsächlich ein bißchen verzögert haben mußte, was ihn jetzt nicht mehr interessierte.
    Sofort klickte er darauf und las: «Lieber Philipp» – sie verwendete auch die förmliche Anrede –, «stellen Sie sich vor, gestern habe ich einen mir bisher unbekannten Tanz eines Maori-Stamms beobachten können, mit Gesang, den ich bis dato noch nicht notiert hatte! Es war für mich wie ein historischer Augenblick. Ich konnte die Szenerie mit der Kamera audiovisuell aufzeichnen. Freilich wird das, was bisher nur ‹lebendig› tradiert wurde, durch das technische Fixieren bereits verändert.»
    Philipp freute sich über die Reflexionstiefe, die in Elisabeths Schreiben immer zum Vorschein kam, wie sie sich also ihrerseits freute und gleichzeitig methodische Probleme bedachte. Im weiteren Verlauf des Schreibens erkundigte sie sich nach seinem Wohlergehen, nach dem Stand seiner Gottes- und Weltforschungen und nach seinem Gemütszustand.
    In seinem Antwortschreiben mit den vorformulierten Eingangssätzen erkundigte sich Philipp nach der religiösen Dimension dieses Tanzes, denn die Religion war nun mal sein Metier. Bezüglich seines Wohlergehens deutete er an, daß er sich momentan ziemlich allein wähne, ohne angemessene Aussprache-Möglichkeit. Schon deshalb sei er froh über den Kontakt mit ihr. Er spüre nach dem Mordfall auf der Burg deutlich das Fehlen eines Menschen hier, dem er voll vertrauen könne. Obgleich er sie, schrieb er, gewissermaßen nur virtuell kenne, sei sie für ihn genauso lebendig und gegenwärtig wie Menschen, denen er in Bamberg begegne.
    Ob sie sich dadurch geschmeichelt fühlte? Philipp ließ es darauf ankommen. Ihn beschäftige, schrieb er weiter, im Moment der Mordfall an Alfonso Forster mehr als die aktuelle «Wahrheits»-Tagung. «Natürlich geht es bei diesem Fall, praktisch gesehen, auch um die Wahrheit, eine rekonstruierte Wahrheit. Die letzte Wahrheit jedoch, welche Motive ein Mörder hat, was in ihm vorgeht, von welchen Menschen oder Umständen er beeinflußt worden ist, den wahren Hintergrund also, wird man niemals ganz eruieren.»

D I E N S T A G · 1 7 . J A N U A R
    Von draußen betrachtet, lag die Babenburg noch in tiefem Schlaf. Noch war es stockdunkel im Wald. In der ausgehenden Winternacht verharrte das Thermometer bei einigen Grad unter dem

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