Laubmann 2 - Bärenzwinger
Besprechungszimmer aufgesucht zu haben?»
«Ja und nein.» Sie strich sich nervös die blonden Haare nach hinten. «Professor Grunde hatte noch nicht begonnen – die Eröffnungsveranstaltung fing ja insgesamt mit leichter Verspätung an –, und ich wollte mir den berühmtberüchtigten ‹Bärenzwinger› nur rasch anschauen, aus purer Neugier. Ich war in dem Zimmer bis dahin noch nicht gewesen… nein, ich bin bis jetzt noch nicht darin gewesen. Als ich hinkam, war die Tür verschlossen.»
«Hat Sie das nicht gewundert?»
«Nein, überhaupt nicht.»
«Und dann?»
«Dann bin ich zurück in den Saal!»
«Haben Sie in dem Zimmer etwas gehört?»
«Ich habe gar nichts gehört!»
«Wie war das; haben Sie Professor Forster gekannt?»
«Nein! Ich kenne nicht mal seine Arbeiten» – Laubmann verzog desillusioniert das Gesicht –, «und mit irgendeinem kirchlichen Armutsideal, das er vertreten haben mag, könnte ich bestimmt nicht allzuviel anfangen.»
Auch der Kunsthistoriker Heinrich Ippendorff erklärte kategorisch, er habe Alfonso Forster vor der Tagung nie persönlich kennengelernt. Das galt ebenso für den sanften und scheuen Neutestamentler Petrus von Bebenhausen. Sophia und Hans Merten sagten das gleiche aus. Bei Gisela Merten verhielt es sich ähnlich wie bei Albert Glöcklein. Sie hatte mit Forster vorab nur telefoniert, aus organisatorischen Gründen.
Der Regensburger Pädagogikprofessor Heribert Bach, der nach Alkohol roch, mußte eingestehen, daß sie sich schon begegnet waren und daß ihn Forster nicht mehr so recht gemocht hat, nachdem er mal einen theologischen Text von ihm öffentlich kritisiert hatte. Daß Friedemann Böhmer ein früherer Kollege Forsters war, hatte sich inzwischen allgemein herumgesprochen.
Christa Schanz-Haberberger gab unumwunden zu, ihr sei Alfonso Forsters befreiungstheologischer Ansatz zu lasch gewesen, vor allem was die feministischen Aspekte der Befreiungstheologie betraf. «Wir hatten oft Streit deswegen, wenn er in Deutschland war. Dummerweise stand der ‹liebe Kollege› Meister, der bei mancher gemeinsamen Tagung auch zugegen war, immer auf meiner Seite, obwohl ich ihn für einen Reaktionär halte und er Forster aus einer zu meinen Ansichten gegenteiligen Position heraus angegriffen hat. Ihm war der gute Forster zu fortschrittlich. Erst vorgestern haben sie sich laut über Boff gestritten.»
Der Frankfurter Professor Franz Röttinger hatte bei seiner Befragung dezent darauf hingewiesen, daß Professor Grunde, wohl aus Konkurrenzgründen, qualitative Vorbehalte gegenüber Professor Forster hatte. «Ich sage nur: Collegium Theologicum et Philosophicum – eine international ausgerichtete Gesellschaft zur Pflege aller Wissenschaften in den theologischen und philosophischen Fächern, sehr renommiert und keineswegs ohne Einfluß. Professor Helmuth Grunde wird als ihr zukünftiger Präsident betrachtet. Und nun raten Sie mal, wer als sein Gegenkandidat gehandelt wurde. – Der Gruppe, die Forster ins Spiel gebracht hat, ist Grundes Ruf, sehr ehrgeizig zu sein, nämlich nicht geheuer. Allerdings hatte sich Professor Forster hinsichtlich einer Kandidatur noch gar nicht geäußert. Womöglich hatte er gehofft, daß dieser Kelch an ihm vorübergehe.»
Glöcklein und Laubmann behagte dieses Collegium nicht. Glöcklein mochte keine Konkurrenz zu seiner Kirche dulden; Laubmann sah die Freiheit der Wissenschaft aufgrund politischer Winkelzüge eher gefährdet als gefördert und wertete das unbescheidene Elitegehabe als unmoralisches Ellbogenverhalten.
«Ich kann mir schon denken, wer mich reinreiten will!» wetterte der Hamburger Philosophieprofessor Helmuth Grunde, nachdem ihn Kommissar Glaser nach seinem Verhältnis zu Alfonso Forster unter dem Gesichtspunkt der Präsidentschaft im Collegium gefragt hatte. «Röttinger sollte lieber selber aufpassen, daß er nicht in Verdacht gerät. Kollege Forster hat sich vor Jahren als Mitglied einer internationalen Theologen-Kommission mehr als deutlich gegen pränatale Hirnforschung ausgesprochen, und das negative Votum der Kommission hat Röttingers Lehrstuhl um erhebliche Forschungsgelder gebracht.» Wieder griff er zu einer Tablette, welche die überschießende Magensäure binden sollte.
Draußen war es längst dunkel geworden, als die beiden Kommissare am Abend die erste komplette Befragungsrunde beendeten. Alle waren sichtlich ermüdet. Christine Fürbringer taten zudem Hände, Arme, Schultern und der Nacken weh.
Ernst
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