Laubmann 2 - Bärenzwinger
hatte trotz allem Vergnügen am leidenschaftlichen Argumentieren.
Lürmann wollte ihm in nichts nachstehen. «Sie meinen den ehemaligen Fluchtgang, der vom Burgkeller aus bis zum Wald verläuft. Den Weg hätte ich als Täter auch gewählt. Für den Ausgang im Wald benötigt man allerdings einen Schlüssel. Aber das ist nicht nur uns, sondern allen hier bekannt.» Und nicht ganz frei von Eitelkeit fügte Lürmann hinzu: «Meine Recherchen haben ergeben, daß in der Burg die Zugänge zu den weitläufigen Kellergewölben unverschlossen sind; außer dem einen, der zum separaten Weinkeller führt.»
«Den Schlüssel mußte sich unser Täter also besorgen.»
«Den für den Weinkeller?»
«Unsinn; den für den Ausgang im Wald.» Wollte Lürmann ihn absichtlich verärgern, fragte sich Glaser; vielleicht weil er ihm vorhin die Schuld an seinem unfreiwilligen Bad gegeben hatte? ‹Dabei hat’s ihn doch gefreut, daß ich eingesunken bin.›
Ernst Lürmann ließ sich nichts anmerken. «Ich behaupte, wer Kenntnis von Fluchtgang und vom zugehörigen Schlüssel hat, kann auch wissen, wo der Schlüssel hängt.»
«Also jeder – außer mir.»
«In einem Schlüsselkasten im Zimmer hinter der Rezeption.»
«Sie haben ja gründliche Vorarbeit geleistet», lobte Glaser.
Sein Kollege fühlte sich geschmeichelt. «Das Zimmer hinter der Rezeption hat im übrigen zwei Eingänge. Das hat das Risiko für den Täter vermindert, eventuell gesehen zu werden.»
Glaser meinte unaufgeregt: «Das bereitet mir die geringsten Probleme. Wäre er von jemandem erwischt worden, hätte er dafür eine Ausrede erfunden und die ‹Verabredung› mit dem Herrn Theologen stillschweigend abgesagt. Aber auch so hat sicher keiner was bemerkt; denn als Dr. Laubmann Ihre Taschenlampe geholt hat, irgendwann nach elf, waren doch schon alle im Bett, was bei dem frühen Tagesbeginn unter Aufsicht des Herrn Prälaten nicht verwunderlich erscheint.»
«O ja!» stimmte Lürmann aus leidvoller Erfahrung zu. «Was jedoch, wenn der Täter ertappt worden wäre, als er die Tagungslisten auf die Grabplatte gelegt hat?»
«Von wem denn? Und selbst wenn, er hätte sich ähnlich verhalten, also irgendwas Unwesentliches über das Tagungsprogramm oder zu den Teilnehmern gefaselt und sich wie ein blasierter Informant benommen. Er ist nicht dumm. Nein, es bleibt dabei, Sie und Dr. Laubmann hatten sich einfach am falschen Ort postiert. Die Erleuchtung in der Burgkapelle hat nicht stattgefunden.» Glaser lächelte schelmisch.
Jetzt ärgerte sich Lürmann, weil er trotz seiner Genauigkeit an den zweiten Weg, die Burg zu verlassen, nicht sofort gedacht hatte.
«Machen Sie sich bloß keine unnötigen Gedanken des wegen», beruhigte ihn Glaser; «der Täter hat uns zweimal schlicht ausgetrickst, hinsichtlich des Anschlags und hinsichtlich des Mordes. Das hofft er wenigstens. Um ihm aber nicht zudem noch den Triumph der Gewißheit zu gönnen, daß wir nicht vorankommen, werden wir des Anschlags wegen, wie vereinbart, keine umfassenden Ermittlungen einleiten. Sie würden auch kaum was bringen.»
Lürmann widersprach nicht.
Glaser hatte seine Überlegungen noch nicht beendet. «Der Täter hat bestimmt keine Fingerabdrücke hinterlassen, nicht im Wald und nicht auf den ausgedruckten Blättern. Er hat die Nachricht an Laubmann, mit der er ihn um das Treffen gebeten hat, nur gefaltet und nicht in ein Kuvert gesteckt oder ein solches gar zugeklebt. Keine Speichelreste also und damit keine Genanalyse. Letzten Endes kämen wir selbst mit den Schuhen oder der Kleidung der Verdächtigen nicht weiter, weil jeder mal im Wald unterwegs gewesen ist. – Meine Schuhe und meine Hose sind schließlich auch aufgeweicht.»
Was aus dem Schlüssel geworden war, wollten die Kommissare freilich noch überprüfen; ob ihn der Täter zurückgehängt oder womöglich einfach weggeworfen hatte. Würde er fehlen, wäre dies eine Bestätigung ihrer Theorie.
Hans Merten zeigte ihnen den an der Wand befestigten hölzernen Schlüsselkasten und öffnete ihn unter ihren aufmerksamen Blicken. «Welchen Schlüssel wollten Sie haben?»
«Den für den unterirdischen Fluchtweg», sagte Lürmann knapp. «Uns genügt, ihn zu sehen.»
Merten schaute angestrengt, als würde er eine Lesebrille benötigen: «Der ist da!» Er deutete auf den altertümlichen Schlüssel.
Glaser und Lürmann waren ein wenig enttäuscht.
«Aber», meinte der Kastellan, «er hängt am falschen Haken.»
***
Laubmann war klar, daß die
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