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Lauf des Lebens

Lauf des Lebens

Titel: Lauf des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LINDA HOWARD
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die Angst endlich überwunden und dahin verbannt, wo sie hingehörte.
    Richard spürte ihr Unbehagen: „Dione?“ Seine Stimme war leise und klang erstaunt. „Stimmt etwas nicht?“ Als er seine Hand auf ihren Arm legte, sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf, so unerträglich war ihr die Berührung. Besorgt von ihrer Reaktion stand er ebenfalls auf. „Dione?“, fragte er noch einmal.
    „Es … es tut mir leid“, murmelte sie und schlang die Arme um ihren Körper, um das Zittern zu stoppen, das sie erfasst hatte. „Ich kann das nicht erklären … Es tut mir leid …“
    „Aber was ist denn los?“, fragte er und streckte erneut seine Hand nach ihr aus. Abrupt wich sie zurück.
    Sie konnte es nicht erklären, aber sie konnte auch nicht länger so dastehen. „Gute Nacht“, sagte sie schnell und drehte sich auf dem Absatz um. Als sie das Haus betrat, wäre sie beinahe mit Serena zusammengeprallt, die gerade in den Hof kommen wollte.
    „Da sind Sie ja“, sagte Serena. „Blake ist zu Bett gegangen. Er war so müde.“
    „Ja, das dachte ich mir schon“, erwiderte Dione, die gerade so viel Selbstbeherrschung aufbrachte, dass sie Serena einigermaßen gefasst entgegentreten konnte. Plötzlich fühlte auch sie ihre Müdigkeit und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. „Entschuldigung“, sagte sie, „das war ein langer Tag.“
    Serena bedachte sie mit einem seltsamen Blick. „Dann werden Richard und ich auch fahren. Ich möchte Sie nicht vom Schlafen abhalten. Ich sehe Blake morgen.“
    „Ich werde das Training morgen intensivieren.“ Dione ergriff die Gelegenheit, Serena gleich hier zu verstehen zu geben, dass ihre Anwesenheit eher belastend als hilfreich war. „Besser wäre es, wenn Sie bis zum späten Nachmittag, sagen wir bis nach vier Uhr, warten würden.“
    „Das ist viel zu lange“, schnaubte Serena. „Er ist noch nicht kräftig genug.“
    „In dieser Phase der Therapie mache ich noch den Hauptteil der Arbeit“, versicherte ihr Dione trocken. „Aber ich werde natürlich trotzdem aufpassen, ihn nicht zu überanstrengen.“
    Falls Serena den Sarkasmus aus Diones Bemerkung herausgehört hatte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Stattdessen nickte sie. „Verstehe“, sagte sie kalt. „Na schön. Dann sehe ich Blake eben morgen Nachmittag.“
    Es geschehen noch Zeichen und Wunder, dachte Dione, als sie die Treppe hinaufstieg. Eine einfache Bemerkung über Blakes strammes Programm am nächsten Tag, und Serena gab nach – wenn auch widerwillig.
    Nachdem Dione sich für die Nacht fertig gemacht hatte, klopfte sie leise an Blakes Zimmertür. Als sie keine Antwort hörte, öffnete sie die Tür einen Spalt, um hineinzuspähen. Es klang so, als schliefe er. Er lag auf dem Rücken, seinen Kopf hatte er zur einen Schulter geneigt. In dem spärlichen Licht, das vom Flur hereinfiel, wirkte er jünger. Die Spuren, die ihm sein Leid ins Gesicht gegraben hatte, waren nicht zu sehen.
    Leise schloss Dione die Tür und ging in ihr Zimmer zurück. Sie war müde, so müde, dass ihre Glieder schmerzten, aber als sie im Bett lag, konnte sie nicht einschlafen. Sie kannte den Grund. Sie lag wach, starrte an die Decke und befürchtete, dass sie vielleicht die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommen würde. So eine dumme, belanglose Sache – nur weil Richard sie berührt hatte.
    Obwohl es so belanglos natürlich auch nicht war, das wusste sie nur zu gut. Sie hätte den Albtraum beiseiteschieben, ihr Leben komplett neu aufbauen können, aber die Vergangenheit gehörte nun einmal zu ihr, war ein Bestandteil von ihr, und sie war ganz und gar nicht belanglos gewesen. Vergewaltigung war nicht belanglos. Seit jener Nacht konnte sie es jedenfalls nicht mehr ertragen, wenn jemand sie anfasste. Sie hatte mit sich selbst einen Kompromiss ausgehandelt, der darin bestand, dass sie ihre menschlichen Bedürfnisse nach Wärme und Berührung durch ihre enge, körperliche Arbeit mit den Patienten kompensierte. Aber sie konnte auch diesen Kontakt nur ertragen, solange sie diejenige war, die die Beziehung kontrollierte.
    Nach außen hin hatte sie sich wieder vollkommen erholt. Sie hatte eine Mauer errichtet zwischen der Frau, die sie damals gewesen war, und der Frau von heute, hatte sich nicht lange aufgehalten mit dem, was geschehen war, sondern sich buchstäblich gezwungen, die Bruchstücke ihres alten Lebens zusammenzusammeln und sie in eine neue, solidere Lebensstruktur einzubetten. Sie konnte wieder lachen und ihr

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