Lauf des Lebens
stehen und sah ihn zweifelnd an. Er lächelte ein wenig. Sein blasses, schmales Gesicht sah abgespannt aus, aber nicht mehr so versteinert gleichgültig wie an den Tagen zuvor. „Ich habe doch noch gar nicht angegriffen“, protestierte sie. „Du nimmst mir ja allen Wind aus den Segeln.“
„Ich weiß, wann ich besiegt bin.“ Er schnitt eine Grimasse und räumte ein: „Ich werde wohl nicht aufgeben können, ohne es nicht wenigstens versucht zu haben. Du hast auch nicht aufgegeben. Und ich bin ebenfalls kein Typ, der vor Herausforderungen zurückschreckt.“
Die Besorgnis, die sich seit seinem depressiven Rückfall zu einem dicken Klumpen in ihrem Magen zusammengeballt hatte, löste sich langsam auf. Beschwingt schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. Sie spürte, dass sie mit seiner Kooperation alles erreichen konnte.
Zunächst konnte Blake mit den Hanteln nur wenig anfangen. Selbst die kleinsten Gewichte waren zu schwer für ihn, obwohl er die Zähne zusammenbiss und selbst dann noch weitermachte, wenn Dione ihn bat, aufzuhören. Ein störrischer Esel war nichts gegen Blake. Er war wild entschlossen, sich selbst an die Grenzen zu bringen – nur dass er die leider sehr schnell erreichte. Um die Schmerzen seiner verspannten Muskeln zu lindern, verordnete sie ihm nach dem Gewichtheben immer lange Bäder im Whirlpool. Doch Blake blieb am Ball und war bereit, seine Fortschritte mit Schmerzen zu erkaufen.
Zu ihrer Erleichterung stellte er ihr keine weiteren Fragen und kam auch sonst in keiner Weise auf ihre Kindheitserinnerungen zurück. Und wenn sie nachts zu ihm hinüberging, klang es jedes Mal so, als sei er im Tiefschlaf – was angesichts der zusätzlichen körperlichen Anstrengungen, die er zu bewältigen hatte, auch sehr wahrscheinlich war.
Trotz Serenas Protesten begann Dione, Blake jetzt auch im Swimmingpool zu trainieren. Serena hatte Angst, er würde ertrinken, da er das Wasser mit seinen nutzlosen Beinen nicht treten konnte, aber Blake selbst wischte ihren Protest beiseite. Er liebte Herausforderungen, das hatte er mehrfach betont, und wollte auch vor dieser nicht weichen. Mit seinem Ingenieurwissen entwarf er eine Konstruktion von Flaschenzügen und Tragebändern, die es Dione ermöglichte, ihn zu Wasser zu lassen und wieder herauszuziehen – zumindest so lange, bis er das alleine konnte.
Ungefähr zwei Wochen nach Therapiebeginn beobachtete Dione eines Morgens, wie Blake das von Alberta zubereitete Frühstück verschlang. Es sah so aus, als hätte er bereits zugenommen. Sein Gesicht war voller geworden und nicht mehr so grau. Während der ersten Tage, die er bei Sonnenschein draußen verbracht hatte, war seine Haut etwas verbrannt, hatte sich aber nicht gepellt. Die leichte Bräune ließ seine blauen Augen jetzt sogar noch blauer erscheinen.
„Was schaust du so?“, fragte er, als Alberta seinen Teller abräumte und ihn durch ein Schälchen Erdbeeren mit Schlagsahne ersetzte.
„Du nimmst zu“, sagte Dione mit großer Befriedigung.
„Wen wundert das?“, prustete Alberta im Rausgehen. „Er isst wie ein Pferd.“
Blake warf ihr einen finsteren Blick nach, tauchte jedoch seinen Löffel sofort wieder in das Schälchen und fischte eine dicke Erdbeere daraus hervor. Seine weißen Zähne bissen in die rote Frucht, dann leckte er sich mit der Zunge den Saft von den Lippen. „Das war dein eigentliches Ziel, oder?“, fragte er mürrisch. „Mich zu mästen?“
Dione lächelte, ohne ihm zu antworten. Stattdessen sah sie zu, wie er die Erdbeeren verspeiste. Als er gerade fertig war mit seinem Frühstück, kam Angela mit dem Telefon herein und legte es vor Blake auf den Tisch. Sie warf ihm ein schüchternes Lächeln zu und verließ den Raum.
Blake saß da und starrte auf das Telefon. Dione verkniff sich ein Grinsen. „Ich glaube, da ist ein Anruf für dich“, sagte sie.
Er sah erleichtert aus. „Ach so, sehr schön. Ich dachte schon, du wolltest, dass ich es aufesse.“
Sie kicherte und stand auf. Als er den Hörer aufnahm und sich ans Ohr hielt, berührte sie ihn leicht an der Schulter und murmelte: „Ich bin im Trainingsraum. Komm runter, wenn du fertig bist.“
Schon halb in sein Gespräch verwickelt, sah er zu ihr hoch und nickte. Sie konnte heraushören, dass er offenbar mit Richard sprach, und allein bei dem Gedanken an ihn legte sich Diones Stirn sorgenvoll in Falten.
Mit Serena war es nach dem ersten schwierigen Tag sehr gut gelaufen. Sie kam immer erst am späten Nachmittag
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