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Lauf des Lebens

Lauf des Lebens

Titel: Lauf des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LINDA HOWARD
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Trockenes Brot, ein Stück Käse, was auch immer. Manchmal war rein gar nichts zu essen da, weil sie das Geld für Whiskey ausgegeben hatte. Wenn ich dann lange genug wartete, ging sie irgendwann mit einem Mann aus und kam mit etwas Geld zurück, sodass wir die Zeit bis zum nächsten Scheck oder zum nächsten Mann überbrücken konnten.“
    „Meine Güte, hör auf!“, befahl er harsch. Er griff nach ihrem Arm und schüttelte sie. Doch sie stieß ihn brüsk zurück.
    „Du wolltest es wissen!“, keuchte sie. Die Lunge tat ihr weh von der Anstrengung, Luft in ihre zugeschnürte Brust zu pressen. „Also hör es dir jetzt auch an! Wann immer ich den Fehler beging, meine Mutter zu stören, was sehr schnell ging, schlug sie mich. Einmal hat sie eine Whiskeyflasche nach mir geworfen. Ich hatte Glück, denn ich kam mit einer kleinen Schnittwunde an der Schläfe davon. Doch sie war so sauer über den verschwendeten Whiskey, dass sie mich danach mit ihrem Schuh versohlte. Weißt du, was sie mir immer wieder erzählt hat? ‚Du bist bloß ein Bastard. Und Bastarde mag keiner.‘ So oft habe ich das zu hören gekriegt, dass ich es schließlich geglaubt habe. Ich weiß sogar noch das genaue Datum: mein siebter Geburtstag. Ich war gerade in die Schule gekommen und hatte mitgekriegt, dass Geburtstage etwas Besonderes sind. An Geburtstagen bekam man Geschenke von seinen Eltern, die damit zeigten, wie lieb sie einen hatten. Ich wachte auf und rannte in das Zimmer meiner Mutter, fest davon überzeugt, dass sie mich an meinem Geburtstag endlich lieb haben würde. Aber sie schlug mich, weil ich sie aufgeweckt hatte, und sperrte mich aufs Klo. Den ganzen Tag musste ich da drin bleiben. So hat sie meinen Geburtstag gefeiert, verstehst du? Sie hat es einfach gehasst, wenn ich in ihrem Blickfeld auftauchte.“
    Dione hatte sich vornübergebeugt, ihr Körper war angespannt vor Schmerz, ihre Augen waren trocken und brannten. „Mit ungefähr zehn Jahren bin ich dann einfach untergetaucht und habe auf der Straße gelebt“, flüsterte sie kraftlos. „Das war sicherer als zu Hause. Was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht. Irgendwann habe ich noch mal in dem Haus vorbeigeschaut, doch da wohnte niemand mehr.“
    Ihr rauer Atem war das einzige Geräusch im Zimmer. Blake lag wie versteinert da und fixierte sie. Dione war kurz davor zusammenzubrechen.
    Sie war plötzlich so unendlich müde. Mit größter Anstrengung richtete sie sich auf. „Noch Fragen?“, sagte sie mit monotoner Stimme.
    „Nur eine“, sagte er. Ihr Körper krampfte sich schmerzhaft zusammen. Doch sie protestierte nicht. Sie wartete und fragte sich erschöpft, was er noch wissen wollte.
    „Wurdest du schließlich adoptiert?“
    „Nein.“ Sie holte Luft, schloss die Augen und schwankte leicht. „Ich landete irgendwann in einem Waisenhaus – einem Ort, so gut oder schlecht wie jeder andere. Ich bekam zu essen, hatte ein Bett und konnte regelmäßig zur Schule gehen. Ich war schon zu alt für eine Adoption. Niemand wollte mich als Pflegekind nehmen. Wahrscheinlich sah ich zu abgerissen aus.“ Dione erhob sich wie eine alte Frau und ging langsam aus dem Raum. Ihr war klar, dass noch viele Fragen in der Luft hingen, aber für heute Nacht hatte sie genug Erinnerungen hervorgeholt. Ganz egal, was sie inzwischen alles erreicht hatte, ganz egal, wie viele Jahre sie schon von dem einsamen, verwirrten Kind trennten, das sie damals gewesen war – die fehlende Mutterliebe hatte ein Vakuum in ihr hinterlassen, das sie bislang mit nichts hatte füllen können. Die Mutterliebe war das Fundament für das Gedeihen eines jeden Kindes. Wenn die Mutterliebe fehlte, blieb das Kind innerlich verkrüppelt, so wie Blakes Beine äußerlich verkrüppelt waren.
    Dione fiel kopfüber ins Bett und schlief tief und traumlos, wachte aber beim Klingeln des Weckers augenblicklich auf. Mit den Jahren hatte sie gelernt, zu funktionieren, auch wenn sie sich, wie jetzt, fühlte, als sei ein Teil von ihr abgestorben. Zuerst musste sie sich zwar etwas zwingen, den neuen Tag in Angriff zu nehmen, doch schon nach kurzer Zeit hatte ihre Selbstdisziplin die Oberhand gewonnen und die nächtliche Krise verdrängt. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Sie hatte einen Job, und den würde sie erledigen.
    Vielleicht stand ihr ihre Entschlossenheit ins Gesicht geschrieben, als sie Blakes Zimmer betrat, denn er riss sofort seine Arme hoch und sagte mit sanfter Stimme: „Ich ergebe mich.“
    Sie blieb abrupt

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