Lauf des Lebens
ohne mich irgendwo abzustützen.“
„Wenn du dir jetzt einen Muskel reißt, dann wirst du dich länger als nötig irgendwo abstützen müssen“, schoss sie zurück. „Ich habe lange genug zugeschaut, wie du dich jenseits der Grenzen des gesunden Menschenverstandes abgerackert hast. Aber das ist jetzt vorbei. Ich bin Therapeutin und keine katastrophenlüsterne Zuschauerin. Wenn du meine Anweisungen nicht befolgst, dann gibt es für mich keinen Grund, noch länger hierzubleiben.“
Sein Kopf schnellte herum, und sein Blick verdüsterte sich wie ein Gewitterhimmel. „Willst du mir etwa sagen, dass du gehst?“
„Das hängt von dir ab“, antwortete sie mit versteinerter Miene. „Wenn du meinen Anweisungen und dem Trainingsprogramm folgst, dann bleibe ich. Wenn du weiterhin alles in den Wind schießt, was ich sage, und stattdessen machst, was dir gefällt, dann brauche ich meine Zeit hier nicht länger zu verschwenden.“
Blake wurde dunkelrot vor Zorn. Offensichtlich hatte er sich immer noch nicht daran gewöhnt, irgendjemandem nachzugeben. Einen Moment rechnete sie damit, dass er sie auffordern würde, ihre Sachen zu packen, und sie stand schon auf, um besser gewappnet zu sein für die Worte, die ihre Zeit hier beenden würden. Doch er biss die Zähne zusammen und knurrte: „Okay, Lady, du bist der Boss. Was ist heute los mit dir? Du bist aggressiv wie eine Klapperschlange.“
Sein vertraut schlecht gelaunter Ton und die Aussicht, doch nicht sofort ins Exil gehen zu müssen, verschafften ihr ein fast absurdes Gefühl der Erleichterung. Damit konnte sie umgehen. Hätte er hingegen irgendeine Anspielung auf die Intimitäten der vergangenen Nacht gemacht, hätte er versucht, sie zu küssen, oder sich wie ein Liebhaber aufgeführt, hätte sie die Fassung verloren, da war sie sich ziemlich sicher.
Dione war den ganzen Tag über so bemüht, ihre Beziehung wieder auf eine rein berufliche Ebene zu bringen, dass sie Blakes Necken und Witzeln schlicht überging und seinen lachenden Augen die kalte Schulter zeigte. Als sie mit dem täglichen Trainingspensum fertig waren, knurrten sie sich beide an wie zwei streunende Hunde. Dione, die den ganzen Tag nichts gegessen hatte, war obendrein schlecht vor Hunger, und die Übelkeit verschlimmerte ihre Missstimmung noch.
Als es endlich Zeit zum Abendessen war, rebellierte ihr Körper gegen seine Vernachlässigung. Auf wackeligen Beinen ging sie die Treppe hinunter. Ihr war so schwindelig vor Hunger, dass sie sich am Geländer festhalten und vollkommen darauf konzentrieren musste, heil die Treppe hinunterzukommen. So hörte sie Blake hinter sich gar nicht und spürte auch seine brennenden blauen Augen in ihrem Rücken nicht.
Irgendwie schaffte sie es bis zum Esszimmer und ließ sich auf ihren Stuhl fallen, erleichtert, dass sie nicht der Länge nach hingeschlagen war. Nach einer Weile kam auch Blake herein, ging aber direkt weiter in die Küche. Ihr war zu übel, um sich darüber zu wundern, dabei war es das erste Mal in all den Monaten, dass sie ihn die Küche betreten sah.
Alberta kam umgehend mit einer dampfenden Suppenschüssel heraus, die sie direkt vor Dione auf den Tisch stellte. „Sie essen bitte, und zwar jetzt sofort“, befahl sie in ihrer schroffen, direkten Art.
Obwohl sie dem mulmigen Gefühl in ihrem Magen nicht traute, begann Dione, langsam zu essen. Und tatsächlich ging es ihr mit jedem Löffel besser. Als der Teller leer war, hatten ihr Zittern und das Schwindelgefühl merklich nachgelassen. Sie blickte auf und stellte fest, dass Blake ihr direkt gegenübersaß und sie musterte. Vor lauter Scham darüber, mit dem Essen nicht auf ihn gewartet zu haben, errötete sie und ließ ihren Löffel sinken.
„Dione“, sagte er ruhig, „du gibst dem Wort halsstarrig eine ganz neue Bedeutung.“
Sie senkte ihren Blick und schwieg, unsicher, ob er über ihren Hunger oder etwas anderes sprach. Sie fürchtete, dass es etwas anderes war, fühlte sich aber einfach nicht in der Lage, ruhig und normal über die letzte Nacht zu reden.
Doch immerhin machte sie einen Versuch, die Waffenruhe zwischen ihnen herzustellen, wenn sie auch peinlich bemüht war, keinen weiteren Zentimeter ihres Schutzwalls preiszugeben. Zu angespannt waren ihre Nerven, zu aufgewühlt ihre Emotionen. Lachen konnte sie noch nicht mit ihm, aber lächeln und plaudern – auch wenn sie dabei den Augenkontakt mied. Auf diese Weise kam sie halbwegs sicher durch den Abend, bis es Schlafenszeit war und
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