Lauf des Lebens
paar Stunden später in ein knackiges Radieschen biss. „Richard wollte eine Auszeit für sich haben, und die habe ich ihm gegeben. Wir hatten keinen Streit oder so. Er ist in Aspen. Er liebt Skifahren, was ich nie richtig gelernt habe. Seit wir verheiratet sind, ist er nicht mehr im Skiurlaub gewesen, weil er nichts machen wollte, was mir keinen Spaß macht. Ich bin nicht sonderlich sportlich“, gab sie grinsend zu.
„Du bist also überhaupt nicht niedergeschlagen?“
„Natürlich bin ich das. Aber ich nehme mir ein Beispiel an dir und reiße mich zusammen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wir hatten vor seiner Abreise ein langes Gespräch – demnach ist jetzt alles offen. Für Richard ist das schon ein riesiger Schritt. Er ist so ein Meister darin, seine Gedanken für sich zu behalten, dass ich ihn manchmal am liebsten packen und schütteln möchte. Da er in letzter Zeit so viel zu tun hatte, haben wir beschlossen, uns erst mal nicht zu sehen, damit er entspannen und Schlaf nachholen kann, bis wir unser Gespräch fortsetzen.“
„Hast du seit seiner Abreise mit ihm gesprochen?“
„Nein. Das war Teil der Abmachung. Wenn er zurückkommt, werden wir definitiv entscheiden, wie es mit uns weitergeht.“
In den Monaten, die Dione Serena nun kannte, hatte diese sich sehr verändert. Sie war eine selbstbewusste Frau geworden. Selbst wenn sich die Dinge nicht wie gewünscht für sie entwickelten, trat sie der Zukunft doch erhobenen Hauptes entgegen. Dione wünschte sich nur, sie könnte dasselbe von sich sagen. Während sie mit Blake schlief, konnte sie vergessen, dass er sich von ihr entfernte, aber sie konnten schlecht den Rest ihres Lebens miteinander im Bett verbringen. Das Rubinherz ruhte warm zwischen ihren Brüsten. Es sei sein Herz, hatte er gesagt. Aber sie wollte nicht egoistisch sein: Sie würde ihm sein Herz zurückgeben.
„Ich weiß, was wir jetzt machen“, sagte Serena plötzlich in resolutem Ton. „Lass uns shoppen gehen! Wir halten nach einem Hochzeitskleid für dich Ausschau.“
Shopping war für Serena ein Allheilmittel, und Dione spielte mit, obwohl sie sich für keines der Kleider begeistern konnte, die sie sich anschauten. Was interessierten sie Kleider für eine Hochzeit, die niemals stattfinden würde?
Als Blake am Abend nach Hause kam, war er so müde, dass er stärker hinkte als sonst. Dennoch nahm er sie während des Abendessens ins Kreuzverhör, wollte wortgetreu über ihr Gespräch mit Serena informiert werden, wollte wissen, wie sie aussah und ob sie bedrückt wirkte. Dione versuchte, ihn zu beruhigen, aber sie sah ihm an, wie sehr er sich um seine Schwester sorgte.
Der Ausbruch an Leidenschaft, den sie in der Nacht zuvor erlebt hatten, wiederholte sich nicht. Als Blake endlich zu Bett ging, legte er einen Arm um sie und war eingeschlafen, noch bevor er ihr eine gute Nacht gewünscht hatte. Dione blieb noch lange wach und lauschte seinen regelmäßigen Atemzügen. Es fiel ihr schwer, einfach ein Stück ihrer letzten gemeinsamen Zeit zu verschlafen.
Am nächsten Tag machte sie mit stiller Resignation Zukunftspläne. Sie kontaktierte Dr. Norwood und übernahm eine neue Einzeltherapie. Dann buchte sie einen Flug nach Milwaukee. Ihr nächster Patient lag immer noch im Krankenhaus, würde jedoch in drei Wochen mit der Behandlung beginnen können. Ihr blieben also noch drei gemeinsame Wochen mit Blake.
Jeden Tag entfernte der sich ein Stück weiter von ihr, kniete sich tiefer in seine Arbeit, wurde unabhängiger. In ihren schwachen Momenten versuchte Dione sich einzureden, dass das alles nur an seiner Arbeitsüberlastung lag, aber sie glaubte selbst nicht richtig daran. Sie reagierte so, wie sie es sich über die Jahre angewöhnt hatte: Sie verbannte ihren Schmerz und ihr Elend in eine dunkle Ecke ihres Geistes und zog eine hohe Mauer darum. Auch wenn sie nie über Blake hinwegkommen würde, so würde sie ihn doch mit aufrechtem Gang verlassen und nicht mit Tränen und mitleiderregenden Szenen. Erstens würde er das nicht mögen, und zweitens war sie kein weinerlicher Typ. Aber sie würde ihm ihren Entschluss auch nicht einfach so an den Kopf knallen. Sie würde ihm erklären, dass sie Zweifel an einer Ehe mit ihm habe und glaube, dass eine vorübergehende Trennung ihnen guttäte. Sie würde ihm erzählen, dass sie einen neuen Fall übernommen hatte, und vorschlagen, dass sie am Ende dieses neuen Jobs noch einmal miteinander sprechen sollten. Wenn sie so vorging, bräuchte er
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