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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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musste erklären, wie er sich Zutritt zu Mr Harlows Haus verschafft, wie er den Kartentisch aufgebaut, warum er das Fenster einen Spalt geöffnet und aus welchem Grund er sich für Spitzgeschosse entschieden hatte.
    Was hatte er in dem Haus festgestellt? Wen hatte er dort gesehen?
    Diese Fragen bereiteten Bobby weniger Kopfzerbrechen. Weiße männliche Person, weiße weibliche Person. Er gab ihnen weder Namen noch eine Identität wie Ehemann, Ehefrau oder Kind, und drückte sich so neutral wie möglich aus. Schließlich hatte er den Mann nicht aus persönlichen Gründen erschossen. Zu guter Letzt stellten die Ermittler die Frage, die sie wirklich interessierte: Ob Bobby gewusst habe, dass es sich bei dem Opfer um James Gagnon handelte?
    Zum ersten Mal zuckte Bobby zusammen.
    Opfer. Eine interessante Wortwahl. Offenbar galt der Mann nicht länger als Tatverdächtiger, also als jemand, der seine eigene Frau mit der Waffe bedroht und den Finger um den Abzug gekrümmt hatte. Er war ein Opfer. Bobby überlegte, ob nun der Zeitpunkt gekommen war, einen Anwalt zu verlangen. Doch er entschied sich dagegen.
    Stattdessen antwortete er so wahrheitsgemäß wie möglich. Lieutenant Jachrimo habe ihm gesagt, dass sie es aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Familie Gagnon zu tun hätten. Allerdings habe er, Bobby, zum Zeitpunkt des Vorfalls hierfür noch keine Bestätigung gehabt.
    Die Ermittler lehnten sich zurück. Zufrieden? Argwöhnisch? Das war schwer zu sagen. Dann erkundigten sie sich, ob er die Frau gekannt habe. Persönlich. Privat. Ob er während es Vorfalls mit ihr gesprochen habe?
    Nein, erwiderte Bobby.
    Nun waren die Haarspaltereien an der Reihe. Warum habe er sich entschlossen, zu schießen? Sei die Anwendung von Gewalt mit Todesfolge vom Einsatzleiter genehmigt worden?
    Nein.
    Hatte das Opfer Bobby oder einen anderen Polizisten verbal bedroht?
    Nein.
    Hatte das Opfer seine Frau verbal bedroht?
    Nicht, soweit Bobby hören konnte.
    Aber das Opfer sei wirklich bewaffnet gewesen?
    Ja.
    Hat der Mann geschossen?
    Es wurden Schüsse gemeldet.
    Vor Bobbys Ankunft. Aber was sei danach? Haben Sie selbst gesehen, wie das Opfer die Waffe abgefeuert hat? Er hat den Finger um den Abzug gekrümmt.
    Also hat er doch geschossen?
    Ja. Nein. Er wollte schießen. Ich habe geschossen. Alles ging so schnell.
    Also hat das Opfer seine Waffe nicht abgefeuert? Ich bin nicht sicher.
    Das Opfer könnte auch einfach nur gezielt haben? Das tat es doch schon seit einer Weile.
    Der Mann hatte den Finger am Abzug.
    Aber hat er abgedrückt? Hat er versucht, seine Frau zu erschießen?
    Ich ging von einer unmittelbaren Bedrohung aus.
    Warum, Kollege Dodge, warum?
    Wegen seines Lächelns. Doch das konnte Bobby ja schlecht antworten. Stattdessen sagte er: »Der Verdächtige stand einen halben Meter entfernt von der Frau, richtete eine Neun-Millimeter-Pistole auf sie und krümmte den Finger um den Abzug. Das habe ich als unmittelbare und eindeutige Bedrohung verstanden.«
    Glaubten Sie wirklich, dass ein Mann seine Frau umbringt, obwohl sich sein Kind noch im Raum befindet?
    Ja, Sir, das glaubte ich.
    Warum, Kollege Dodge, warum?
    Weil so ein Mist eben manchmal passiert, Sir.
    Schließlich nickten die Ermittler und fingen mit ihren Fragen wieder von vorne an. Bobby kannte dieses Spiel. Je öfter man einen Menschen zwang, seine Geschichte zu erzählen, desto leichter konnte man ihn in Widersprüche verwickeln. Die Lügen wurden immer mehr ausgeschmückt, während die Wahrheit zunehmend an den Haaren herbeigezogen klang. Nun warteten die Ermittler darauf, dass Bobby sich selbst eine Grube schaufelte.
    Um halb sieben gaben sie es schließlich auf. Vor den Fenstern des stickigen Konferenzraums graute der Morgen, und die kollegiale Stimmung kehrte zurück. Sie bedauerten, all diese Fragen stellen zu müssen, aber so lauteten nun einmal die Vorschriften. Eine scheußliche Nacht. Ein Pech für alle Beteiligten. Doch es mache einen guten Eindruck, dass Bobby so bereitwillig kooperiert habe. Allerdings müsse er Verständnis dafür haben, dass man der Sache auf den Grund gehen wolle. Je früher man die Wahrheit herausfände, desto schneller sei die Angelegenheit aus der Welt.
    Sie würden noch weitere Fragen haben. Also verreisen Sie besser nicht.
    Bobby nickte erschöpft. Er schob seinen Stuhl zurück, und als er aufstehen wollte, geriet er ins Schwanken. Dabei bemerkte er, wie einer der Männer ihn argwöhnisch musterte.
    Auf einmal verspürte Bobby den

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