Laufend loslassen
Erschöpfung,
Schutz in der Gefahr,
Herberge am Weg,
Schatten in der Hitze,
Licht in der Dunkelheit,
Trost in der Mutlosigkeit
und die Kraft für die Durchsetzung unserer guten Vorsätze.“
Ich schließe ab:
„Damit wir dank deiner Hilfe wohlbehalten das Ziel unseres Weges erreichen und dass wir, bereichert an Gnade und Tugend, unbeschadet nach Haus zurückkehren,
voll ersprießlicher und immerwährender Freude!
Für Jesus Christus, unseren Herrn.“
Gemeinsam bekräftigen wir:
„Amen.“
Mit einer Umarmung verabschieden wir uns, dann zieht jeder seine Bahn. Es fällt mir nicht leicht, die beiden ziehen zu lassen, ich wäre gerne mit ihnen weitergelaufen. Es war der Wunsch von Dennis und Verena, die Erfahrung des Alleinseins machen zu können. Ich hatte diese Erfahrung schon viele hundert Kilometer in Frankreich und weiß, wie gut sie tut.
Deshalb war ich einverstanden, obwohl mein Bedürfnis derzeit mehr nach Gemeinschaft ausgerichtet ist. Eine Zeit lang sehe ich Dennis noch vor mir, bis er schließlich in der Ferne verschwindet. Verena verliere ich aus den Augen, als ich eine kleine Pause mache, sehe sie aber in Oncina de la Valdoncina in der Bar noch einmal. Sie läuft dann weiter, während ich noch Kaffee trinke und mich später mit einem Schotten, Arthur, und einem Kanadier, Chris, unterhalte.
Als sie hören, dass ich schon in Frankreich lange unterwegs war, wollen sie mehr wissen über die dortigen Verhältnisse auf dem Jakobsweg.
Der Weg, der vor Oncina durch eine weite, steppenartige Landschaft geführt hat, geht jetzt durch Felder auf einer fast unbefahrenen Nebenstraße. Langsam wird es wärmer. In León hatten die Thermometer noch acht bis zehn Grad gezeigt, jetzt wirkt sich die Sonne aus, aber es bleibt angenehm.
Schon um zwölf Uhr habe ich die insgesamt gut 24 Kilometer lange Strecke nach Villar de Mazarife geschafft, also in fünfeinviertel Stunden, dabei etwa eine halbe Stunde Rast.
Wie vorher schon ausgedacht, mache ich Schluss in der Albergue Refugio de Jesús, bisher nach San Nicolás die originellste Herberge. Die Zimmer und ein Balkon, auf dem man schlafen kann, gruppieren sich um einen hübschen Innenhof. Es ist viel Platz, ein großer Garten mit Swimmingpool und ein hölzernes, betretbares Schiffsmodell. Es ist friedlich, interessante künstlerische Graffiti an den Wänden, ein kleines Paradies. Ich genieße es in vollen Zügen.
Später erkunde ich den Ort mit seiner Jakobskirche. Ein sehr freundlicher älterer Mann erklärt mir ausführlich die Bildtafeln des Hochaltars, die alle wichtigen Stationen der Jakobuslegende darstellen. Später schreibe ich lange Notizen, dann komme ich mit Maria, einer sympathischen Spanierin aus Barcelona, ins Gespräch. Ich hatte sie vorher schon mehrmals gesehen, in Mansilla de las Mulas hatte sie das Bett mir gegenüber. Sie hat eine Sehnenentzündung und kann vorläufig nicht weiter. Ich gebe ihr das Gel-Tissue, das ich in Frankreich von Francois geschenkt bekommen habe.
Wir unterhalten uns ein bisschen über andere Jakobswege in Spanien und über Wandermöglichkeiten in den Pyrenäen, wo sie oft unterwegs ist.
Ich mache ihr Mut und erzähle ihr, wie ich meine Sehnenentzündung überwunden habe. Dann will sie viel über den französischen Jakobsweg wissen.
Am Abend laden mich Hans und Doris zum Essen ein. Auch sie haben in dieser Herberge haltgemacht.
Wir sitzen lange zusammen und unterhalten uns. Hans mit seiner Erfahrung als Landwirt erzählt von seinen Beobachtungen, vor allem, was die optimale Bewässerung der Felder betrifft. Er hebt hervor, wie die Techniken hier die Naturkräfte nutzen. Ich bekomme durch seine Beobachtungen einen Blickwinkel, den ich vorher nicht hatte und bin dankbar dafür.
Wir unterhalten uns dann später am Abend auch darüber, was für uns die Motivation für die Pilgerreise war. Sie erzählen, dass sie den Weg für einen durch Krankheit plötzlich querschnittsgelähmten Verwandten machen. Jetzt wird mir auch die Fürbitte klar, die Hans, tiefbewegt, in der Kirche von Villacázar de Sirga gesprochen hat und die auch uns drei so anrührte. Ich erzähle von meiner Trennung und von der Notwendigkeit, neue Lebensperspektiven und neuen Lebensmut zu finden, von der Verzweiflung und Perspektivlosigkeit der letzten Jahre und über den harten Kampf um das tägliche Brot. Es ist das erste Mal, dass wir solche persönlichen Dinge miteinander teilen. Ich bewundere im Stillen ihren Einsatz, weiß ich doch,
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