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Laufend loslassen

Laufend loslassen

Titel: Laufend loslassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Mall
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auf sich lenken würde. Es ist Meditation im Gehen.
    An einem Flüsschen, kurz vor der Abzweigung nach Villamarco, machen wir Rast und stärken uns eine halbe Stunde lang.
     
    Beim Weitergehen zieht Dennis einen Vergleich zwischen dem Glauben an Jesus und dem Camino, angeregt durch das Plakat „Yo Soy el Camino.“.
    „Der Weg ist bereitet.“, erklärt er, „Markierung, Wasser, Herbergen sind da, man kann sich auch darauf verlassen, dass andere den Weg mitgehen, aber - man muss ihn selbst gehen, jeder mit seinen Schritten.“
    Nur viereinhalb Stunden nach unserem Aufbruch haben wir die 20 Kilometer nach Reliegos geschafft. Vor der Bar im Ort sind bereits viele Pilger. Wir setzen uns dazu, trinken Cafe con Leche und schauen uns das Kommen und Gehen an. Dann machen wir uns auf die letzten sechs Kilometer nach Mansilla de las Mulas, wo wir am alten Stadttor auf Hans und Doris stoßen, die aber noch einen Ort weiter wollen. Im Zentrum liegt die Herberge, die um einen mit Geranien geschmückten Innenhof gebaut ist. Den größten Teil des Nachmittags verbringen wir in diesem Patio. Mit meinen beiden Caminofreunden spiele ich Schach, wozu ich schon jahrelang keine Gelegenheit mehr hatte.
    Außerdem erkunden wir das Städtchen, das großenteils von einer Stadtmauer umgeben ist, die seltsam wirkt, ist sie doch fast vollständig aus großen Flusskieselsteinen errichtet, die mit Mörtel zusammengehalten werden.
    Abends essen wir wieder zusammen.
    Ich liebe diese Tischgemeinschaft.
     

Dienstag, 7. August
    Der Hang zum frühen Aufstehen wird bei vielen offenbar immer größer, ab fünf Uhr ist an Schlafen nicht mehr zu denken. Ich wache mit einem leicht fiebrigen Gefühl auf. Am Vorabend habe ich beim Hospitalero meine vielen „Mückenstiche.“ auf dem Arm inspizieren lassen. Der diagnostizierte Flohbisse, was ihn aber nicht zu beunruhigen schien. Nicht nur mein Arm, sondern auch die Beine, der Rücken und der Hintern sind zerstochen. Es juckt überall und fühlt sich heiß an. Ich habe latent schlechte Laune.
    Wir brechen noch in der Nacht auf, überqueren die große Brücke über den Rio Esla und laufen dann direkt neben der Straße in Richtung León. Der starke Straßenverkehr blendet, sodass es schwer ist, den Weg zu sehen. Teilweise führt der Camino auf dem schmalen Seitenstreifen der Straße entlang, was lebensgefährlich ist. Erst gestern haben wir gehört, dass bei León ein Pilger bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt sein soll. Langsam wird es jetzt wenigstens hell, sodass wir besser sehen und gesehen werden. Hinter Puente Villarente verlässt der Camino endlich die Straße und führt durch die Reste von Natur, bis schließlich Gewerbegebiete und Straßen kommen mit viel Verkehr, wo Pilger irgendwie vorankommen müssen. Hier finden wir Hans und Doris wieder. Der Weg wird heute nicht schöner.
     
    Der Höhepunkt ist erreicht, als der Camino eine vierspurige, autobahnähnliche Straße kreuzt, aber nicht etwa mit einer Brücke oder einer Unterführung, sondern quer über die Fahrbahn, wofür ein kurzes Stück die Leitplanken fehlen. Dann geht es auf dem Standstreifen dieser Ausfallstraße Richtung León weiter. Noch mehr Straße, Gewerbegebiete, hässliche Wohnhäuser. Mitten in einem Kreisverkehr ein paar Bänke und ein Kreuz, ein Pilgerrastplatz. Da wir auch Hunger haben, nutzen wir diese „herrliche.“ Gelegenheit. Ich vergebe in Gedanken den 1. Preis für den hässlichsten Pilgerweg in eine Großstadt an León. Es dauert lange und das ästhetische Empfinden wird auf eine harte Probe gestellt, bis endlich die Altstadt erreicht ist.
    Sofort wandelt sich das Bild, León beginnt mich zu faszinieren. Wir steuern die Herberge der Benediktinerinnen im Zentrum an, aber wir sind die 18 Kilometer so schnell gelaufen, dass sie noch zu ist. Wir finden eine urgemütliche Kaffeebar mit alten Kaffeeutensilien als Dekoration und lassen es uns gut gehen. Ich lese meinen Weggefährten das Kapitel über León aus meinem kleinen roten Pilgerführer vor, denn was Geschichte, Kultur und Karten betrifft, ist er der informativere. Um elf Uhr gehen wir zurück, checken ein und werden freundlich empfangen. Die Hospitaleros meistern den Ansturm mit bewundernswerter Gelassenheit und Freundlichkeit. Wir ergänzen unsere Credenciale mit Einlegeblättern, die die Benediktinerinnen bereithalten. Denn natürlich sammeln wir täglich unsere Stempel in den Herbergen, darüber hinaus auch manchmal an markanten Orten, sodass der

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