Laufend loslassen
der schon stattlichen Schlange ein und kommen unter, aber bald darauf ist die Herberge voll belegt.
Später stoßen wir im Städtchen auf Doris und Hans, die wir längst vor uns vermutet haben. Aber Doris hatte auch eine Magenverstimmung und sogar Durchfall. So haben sie an einem Tag nur ein paar Kilometer geschafft. Sie müssen eine andere Herberge nehmen, aber wir freuen uns alle drei riesig, die beiden zu sehen. Im Ort kaufen wir einen kleinen Topf, damit wir in den unausgestatteten Herbergen ein Abendessen bereiten können. Wir sind enttäuscht von einer italienischen Pfadfindergruppe, die Töpfe hat und sie nicht mehr braucht, sie aber nicht verleiht. „Die haben ihre tägliche gute Tat wohl schon vorher vollbracht.“, kommentiert Dennis bissig. „Ach, Dennis.“, rate ich ihm und uns allen, „am besten setzen wir unsere Enttäuschung am anderen Ufer ab.“
Es gelingt uns, auch mit unserer knappen Ausrüstung ein schmackhaftes Abendessen zu bereiten. Den Rest des Abends verbringen wir im Park neben der Herberge, bis es zu kühl wird. Die Nacht ist ruhig, trotz des relativ großen Schlafsaals.
Samstag, 18. August
Heute Morgen haben wir keine Eile, frühstücken gemütlich und gehen kurz vor sieben los. Es ist neblig und die Landschaft ist in einen feinen Schleier eingesponnen. Die alten Eichen unterwegs sind geheimnisvoll. Spinnennetze voller Tautropfen hängen im Ginster. Nach Gonzar beginnt sich der Nebel zu lichten. Viele Pilger sind unterwegs. Mich erinnert das Ganze an den Tag vor Burgos.
Als wir Hospital da Cruz erreichen und dort Rast machen, hat sich der Nebel in die Täler zurückgezogen.
Danach geht das Wandern zügig weiter, Ligonde und andere kleine Orte werden durchquert. Dennis, Verena und ich unterhalten uns dabei über die Probleme von Scheidungskindern, über den Umgang der evangelischen Kirche mit geschiedenen Pfarrern, über die Bedingungen für die Taufe und über sinnvolle Vorbereitung darauf und vieles mehr. So vergeht die Zeit schnell.
Wir erreichen Palas de Rei, finden die Herberge im Zentrum und bekommen zu dritt gerade noch einen Platz. Bianca, die unterwegs viel fotografiert hat, muss in einer anderen Herberge übernachten. Unter schwierigen Bedingungen kochen wir zusammen mit Michaela und Sebastian ein gemeinsames Abendessen. Für den Abend habe ich ausfindig gemacht, dass es um 20 Uhr eine Pilgermesse gibt. Beim Ausforschen der Gottesdienstzeiten stoße ich vor der Kirche auf Marie, die Französin, mit der ich in Miramont-Sensacq am 11. Juli in der Herberge war. Sie hatte Fußprobleme, musste in St. Jean Pied de Port pausieren und kam am 20. Juli über den Pass. Eine Freude, sie nach fast sechs Wochen wiederzusehen!
In der Abendmesse konzelebriert ein italienischer Priester mit dem spanischen Pfarrer, die Lesung ist in Italienisch, das Evangelium in beiden Sprachen und die vier Geschwister aus Schweden, die in unserer Herberge schlafen, singen Taizé-Lieder. Ich fühle mich rückgebunden an die Zeit des Anfangs der Pilgerreise und freue mich sehr. Nach dem Ende der Messe singen wir noch eine halbe Stunde lang Taizé-Lieder in der sich leerenden Kirche, bis sie dann geschlossen werden soll.
Ich kehre zur Herberge zurück, es ist fast 22 Uhr, aber ich kann noch nicht schlafen. Unten vor dem Eingang finde ich die vier Schweden. Ich unterhalte mich mit dem ältesten. Er hat in Tübingen evangelische Theologie studiert, kennt und liebt Bücher von P. Anselm Grün. Seine Schwester, die Zweitälteste der vier Geschwister, war „Permanent.“ in Taizé, also eine von den engagierten jungen Leuten, die einige Monate ihres Lebens in den Dienst der Brüdergemeinschaft und der vielen Leute stellen, die Woche für Woche dorthin kommen, um eine Zeit der Besinnung, des Gebets und der Begegnung zu verbringen. Sie kennt den jüngsten Sohn von Heinrich und Dorothee, also der beiden Freunde, die mich am Anfang der Pilgerreise nach Taizé mitgenommen haben, und weiß auch, dass er jetzt Bruder in Taizé ist. Wir staunen über die schöne Fügung, die uns hier so zusammengeführt hat. Mich erinnert das alles wieder so stark an den Anfang der Pilgerreise. Dankbar gehe ich zu Bett. Doch plötzlich ist der Zahnschmerz, den ich von Frankreich kenne, wieder da. In meiner Not greife ich zu Aspirin und verbringe eine unruhige Nacht. Doch am nächsten Tag ist alles vorbei.
Sonntag, 19. August
Kurz vor sechs ist Wecken. Wir frühstücken wieder Müsli. Bianca ist aus ihrer
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