Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
Vom Netzwerk:
dann Zeit für ein Viertele war. Anders als viele alte Stuttgarter Cafés war das
Kipp
noch nicht dem Modernisierungswahn zum Opfer gefallen. Wahrscheinlich wusste das auch die Chefin zu verhindern, die unermüdlich hinter der Theke werkelte und gemeinsam mit ihrer Kundschaft alterte. Sie packte mir ein Laugenbrötchen und ein Mohnweckle in eine Tüte.
    »Darf es sonst noch etwas sein?«, fragte sie.
    Mein Blick klebte an den hausgemachten Trüffeln, die zu kunstvollen Pyramiden aufgetürmt waren. Sie waren sicher unbezahlbar.
    »Ich hätte gerne noch Trüffel.«
    »Wie viel Gramm hätten Sie denn gern?«
    Ich räusperte mich. »Einen weißen, einen braunen und einen schwarzen.«
    Man konnte sehen, wie es in der Chefin arbeitete. Dann nahm sie kommentarlos ein durchsichtiges Cellophan-Tütchen und beugte sich über die Vitrine, um vorsichtig mit einer Zange den jeweils obersten Trüffel von der Pyramide zu klauben. Okay, sie war nicht mehr die Jüngste. Aber irgendwie hatte sie etwas Anziehendes, mit dem gefärbten roten Haar und der Brille. Und der Mund war zwar ein bisschen schmal, aber irgendwie sehr sinnlich. Wie es wohl wäre, diesen Mund zu küssen? Ich starrte wie hypnotisiert auf ihre Lippen. Sie verharrte in der Bewegung. Ein weißer Trüffel, von der Zange gehalten, schwebte in der Luft. Sie sah mich an und runzelte die Stirn. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Hatte ich sie nicht mehr alle? Wieso hatte ich auf einmal das dringende Bedürfnis, die Chefin vom
Café Kipp
zu küssen?
    Auf der Straße holte ich tief Luft und schob mir erst einmal den weißen Trüffel in den Mund, um mich zu beruhigen. Mhmmm, köstlich. Der Schokoladengeschmack verdrängte die seltsame Episode im Café.
    Ich bemühte mich, möglichst leise die Treppe hinaufzugehen, aber diesmal hatte ich weniger Glück. Im dritten Stock wurde die Tür aufgerissen. Herr Tellerle, der offensichtlich kein Kirchgänger war, schien mich erwartet zu haben. Er trug sein Standard-Hemdenmodell. Vielleicht hatte er sich mal einen Zehnerpack bei C&A gekauft.
    »An scheena guda Morga, Frau Praetorius! So, god’s Ihne heid scho bessr?«
    »Ja, vielen Dank. Und schönen Sonntag noch.«
    »Ha noi, warded Se doch gschwend. Kommed Se doch gschwend rai.«
    Oh mein Gott. Was war denn nun los! Warum waren denn auf einmal alle so leutselig? Das war ja fürchterlich! An allem war Leon schuld. Das Nordlicht hatte die alte Ordnung im Haus völlig durcheinandergebracht. Ich wollte in Ruhe frühstücken!
    Herr Tellerle winkte mich herein. Wahrscheinlich wollte er mir seine Meinung zu McGöckele kundtun oder die Sperrmüll-Aktion planen.
    »I däd Ihne bloß gschwend gern zaiga wella, wie gut der Wilhelm sich oigläbt hot.«
    Wilhelm? Ich kannte keinen Wilhelm.
    Herr Tellerle sah meine Verwirrung und lachte fröhlich.
    »Dr Wilhelm! Dr Nochfolger vom Max!«
    Ich stöhnte innerlich auf. Es war ja schön, dass Herr Tellerle nicht mehr sauer auf mich war. Aber musste er mich deshalb am Sonntagmorgen zur Aquarium-Party einladen?
    »Welled Se net gschwend ablega?«
    Nein, ich wollte meine Jacke nicht ausziehen! Erstens gehörte Herr Tellerle eindeutig zu den Menschen, die durch niedrigen Energieverbrauch einen Klimabeitrag leisteten. In der Wohnung herrschte eine kreislaufanregende Temperatur von maximal 15 Grad. Zweitens hatte ich keine Lust, ihm meinen geblümten Flanell-Schlafanzug vorzuführen, der auf der Brust einen Ketchup-Fleck hatte. Und drittens wollte ich mich verdünnisieren, so schnell es ging.
    »So, nehmed Se doch Platz«, sagte Herr Tellerle.
    Na schön, dachte ich. Du hast drei Minuten, um des lieben nachbarschaftlichen Friedens willen. Drei Minuten und keine Sekunde mehr. Ich setzte mich auf das alte Sofa. Auf dem Fensterbrett stand das Usambara-Veilchen und ließ die Blätter hängen.
    Herr Tellerle ließ sich neben mir nieder. Ich musste mich beherrschen, um nicht die Nase zu rümpfen. Auch beim Duschen schien er auf einen niedrigen Wasserverbrauch zu achten und wahrscheinlich hatte er doch nur ein Hemdenexemplar.
    »Sodele, jetztele, do isch mai Wilhelmle!« Herr Tellerle deutete triumphierend auf sein Schleierschwanz-Kommando, das im Pulk durchs Aquarium schwamm. O je. Welcher der Fische in dem Haufen war jetzt Max II alias Wilhelm? Blasslila. Wilhelm musste blasslila sein. Aber so sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte den Kerl nicht entdecken.
    »Wieso heißt er denn Wilhelm? Von Wilhelm Busch?«
    »Ha noi, vom Kenich Wilhelm,

Weitere Kostenlose Bücher