Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
Vom Netzwerk:
eine Serviette und wischte ihr das interaktive Mäulchen ab, um keine verdächtigen Spuren zu hinterlassen.
    »Deine Klassenkameraden müssen dich doch hassen, oder?«
    Lena zuckte die Schultern. »Sie haben sich dran gewöhnt. Außerdem bin ich ja keine Streberin. Im Gegenteil. Mama musste schon ziemlich oft in die Schule kommen, weil ich mir tolle Sachen ausdenke, um die Lehrer zu ärgern. Aber nur die blöden.«
    Ich dankte Gott insgeheim, dass ich keiner von Lenas blöden Lehrern war. Ich wollte lieber nicht wissen, was ihr kluges kleines Köpfchen so ausheckte.
    Wir stapften noch ein bisschen über die Felder, damit wir ordentlich rote Nasen bekamen und man uns abnahm, dass wir draußen gewesen waren. Dann kehrten wir ins warme Wohnzimmer zurück.
    Draußen begann es zu dämmern. Vater, Frank und Katharina tranken Sekt. Dorle hatte ein Glas Eierlikör vor sich stehen. Frank hatte sein Provoziergesicht aufgesetzt. Das Provoziergesicht war so ein scheinbar harmloses, unschuldiges Grinsen. Die langen Jahre an der Seite einer bildschönen Frau waren an meinem Schwager nicht spurlos vorübergegangen. Als Ventil nutzte er jede Gelegenheit, um ein bisschen mit schweren Wanderstiefeln auf den Schwachstellen seiner Lieben herumzutrampeln. Bei mir waren es die Männer oder besser gesagt, die Abwesenheit von Männern. Und bei Dorle ...
    »Dorle, weißt du eigentlich, dass es so ein Buch gibt, in dem behauptet wird, Jesus hätte Maria Magdalena geheiratet und mit ihr ein Kind gehabt?«
    Dorle sah ihn missbilligend an. »Wer sich so an godesläschderlicha Kruscht ausdenkd, der ghert verhaue«, sagte sie.
    Vor meinem geistigen Auge tauchte ein rennender Dan Brown auf, panische Blicke hinter sich werfend, verfolgt von Dorle, die zeternd ihren handgeflochtenen Teppichklopfer schwang.
    Salo kam aus seinem Kinderzimmer herbeigetapst. Auffordernd legte er mir ein Bilderbuch auf die Knie,
Die kleine Schupfnudel und das große Bubaspitzle
.
    »Das Buch ist aber ein Bestseller und liest sich wirklich gut«, sagte Frank. Er trat an das Bücherregal und zog ein zerfleddertes Exemplar des
Sakrileg
heraus. »Hier, du kannst es gern ausleihen.«
    »Gang mr bloß weg!«, ereiferte sich Dorle. »I läs bloß mai Losungsbüchle ond en dr Bibel!«
    »Ach Dorle, du verpasst da gar nichts«, schaltete Lena sich ein. »Ich fand es ziemlich langweilig.« Vater nippte gedankenverloren an seinem Sektglas.
    Ich sah von einem zum anderen und seufzte. Dysfunktional. Diese Familie war einfach dysfunktional. Vater hatte meinen Namen vergessen, Mutters Abwesenheit wurde nicht mal mehr registriert, Lena hatte mit ihren sieben Jahren
Sakrileg
gelesen, Katharina sah selbst in ihrem von Salo vollgesabberten Pulli aus wie »Germany’s next topmodel«, Frank ärgerte mit unbändigem Vergnügen seine alte Großtante und wenn man Dorle nur ließe, würde sie
Sakrileg
öffentlich verbrennen wie die Islamisten westliche Flaggen. Es war höchste Zeit, zu verschwinden.
    Lila öffnete die Tür, das Telefon am Ohr. Sie hielt die Muschel zu. »Hallo Line, ich brauch noch einen Moment. Hol doch schon mal den Prosecco aus dem Kühlschrank.«
    »Kann ich mir einen Kaffee machen?« Nach dem Sekt und meiner Familie brauchte ich was für meine Nerven.
    »Klar, ich trinke einen mit.«
    Lila verschwand murmelnd in ihrem Schlafzimmer. Wahrscheinlich musste sie mal wieder jemanden psychologisch beraten, der die Sonntagskrise hatte. Lila kannte unglaublich viele Menschen mit Sonntagskrisen. Das waren all diejenigen, die wie ich keinen Freund hatten und am Sonntag nichts mit sich anzufangen wussten, obwohl sie sich die ganze Woche auf den freien Tag gefreut hatten. Ich hatte wenigstens eine entzückende Familie, bei der ich mich selber einladen konnte.
    Ich stellte einen Kaffee auf und kramte nach Tassen, Zucker und Milch. In Lilas Küche sah es ein bisschen aus wie in der Villa Kunterbunt. Es gab kein Geschirrteil, das zum anderen gehörte, keine Tasse ohne Sprung oder abgeschlagenem Henkel, stattdessen bunte Flickenteppiche, selbst getöpferte Obstschalen und kleine Aquarellbildchen an den Wänden. Very Seventies. Dazu passte auch Suffragette, Lilas schwarzbraunweiße Katze, die hereingeschnurrt kam und mir um die Beine strich. Lilas zweiter Mitbewohner passte dagegen überhaupt nicht zu ihr. Er war Anfang zwanzig und machte eine Schreinerlehre in einem Werkstattkollektiv in der Ostendstraße in der Nähe des
Laboratoriums
. Für Lila war das Beweis genug gewesen, dass er ein

Weitere Kostenlose Bücher