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Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde

Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde

Titel: Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freund
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Bibliothek, ohne zu murren, wieder auf und gewährte Laura und Lukas Zugang zu ihren geheiligten Hallen. Sie holte den Nachlass des Kaplans sogar höchstpersönlich aus dem Archiv, über das sie ebenso mit Argusaugen wachte wie über die Bücherei.
    Die Hinterlassenschaft des frommen Mannes befand sich in einem unscheinbaren Pappkarton, den Amalie Bröselsam auf einem Tisch in der Leseecke des Büchersaals abstellte. »Das ist alles, was sich in unserem Archiv befindet«, flötete sie im zuckersüßen Ton. »Die Bibelabschriften werden nämlich im Landesmuseum aufbewahrt.«
    »Aber alles andere ist hier in der Kiste?«, fragte Lukas.
    »Natürlich!« Amalie zog ein Gesicht, als habe der Junge ihr Schlamperei unterstellt. »Jedes einzelne Blatt. Euer Vater hat allerdings meistens nur mit der Chronik gearbeitet.« Fräulein Bröselsams Miene entspannte sich wieder. »Wenn ihr Hilfe braucht, dann lasst es mich wissen.«
    »Wieso denn Hilfe?«, fragte Laura verwundert. »Wir können doch lesen.«
    »Ja, schon. Aber…« Die Bibliothekarin spitzte den Schildkrötenmund. »… diese Schriften sind in der Sprache des 12. Jahrhunderts verfasst, in Mittelhochdeutsch.«
    Lukas’ Augen leuchteten. »Wie das Nibelungenlied, meinen Sie?«
    »Genau. Das wurde nur wenige Jahrzehnte später niedergeschrieben.«
    »Dann ist das kein Problem für mich. Das hab ich nämlich schon mit Papa im Original gelesen.«
    »Das ist doch nicht normal«, murmelte die Bröselsam kopfschüttelnd, um dann wieder ein freundliches Lächeln aufzusetzen. »Lasst euch so viel Zeit, wie ihr braucht. Ich bin mit der Quartalsstatistik beschäftigt und hab deshalb noch eine ganze Weile zu tun.«
    Laura konnte es kaum erwarten, bis die altjüngferliche Bibliothekarin zurück zum Ausleihtresen gestapft und sie endlich mit Lukas allein war. Hastig öffnete sie den Karton und kippte den Inhalt auf den Tisch.
    Auch der Bruder war überaus gespannt. »Jetzt wird sich hoffentlich zeigen, ob deine Vermutung richtig ist und der Kaplan tatsächlich eine Abschrift von der ›Bruderschaft der Sieben‹ angefertigt hat.«
    »War doch möglich, oder? Er war ein gelehrter Mann und hat mit Sicherheit erkannt, dass der Inhalt des alten Buches sehr wertvoll sein muss.«
    Doch schon der erste Blick, den Laura auf die Schriften warf, brachte eine herbe Enttäuschung: Der Nachlass des frommen Mannes bestand lediglich aus zwei dicken Stapeln zerfledderter Blätter, die mit breiten Leinenbändern zusammengehalten wurden, und aus einigen losen Papieren, die von einer fast verblichenen und deshalb kaum lesbaren Handschrift bedeckt waren. Von einer Kopie des geheimnisvollen Folianten war jedoch weit und breit nichts zu sehen.
    Laura erblasste, und die Hoffnung, die sie eben noch erfüllt hatte, wich einer tiefen Niedergeschlagenheit. Ratlos ließ sie sich auf einen Stuhl sinken. »Das war’s dann wohl«, murmelte sie vor sich hin.
    Lukas sah sie voller Mitgefühl an. »Nimm’s dir nicht allzu sehr zu Herzen. Die Idee war trotzdem gut – und vielleicht finden wir in der Chronik ja was Brauchbares.«
    Der Junge nahm einen der Stapel an sich, löste die Verschnürung und begann zu blättern. Es zeigte sich, dass der Kaplan ein vielseitiger Mann gewesen sein musste. Er hatte die Geschehnisse auf der Burg nicht nur schriftlich festgehalten, sondern den Text auch mit zahlreichen Zeichnungen illustriert. Auf vielen davon waren der Grausame Ritter und seine üblen Kumpane zu erkennen, aber auch Mägde und Knechte hatte der Kaplan ins Bild gesetzt. Und die armen Bauern, die die kargen Felder rings um Ravenstein bestellten und von ihrem Lehnsherrn bis aufs Blut ausgepresst wurden. Kein Wunder also, dass Reimars Willkür in der Chronik zahlreich dokumentiert war: Menschen am Pranger, öffentliche Auspeitschungen und immer wieder Hinrichtungsszenen. Eines jedoch war merkwürdig: Auf keiner der Illustrationen war der Henker zu sehen. Dort, wo er eigentlich zu vermuten gewesen wäre, befand sich immer nur ein weißer Fleck!
    »Vielleicht hat er den Scharfrichter erst gar nicht gezeichnet?«, überlegte Lukas laut. »Aus irgendeinem Aberglauben heraus oder was weiß ich denn?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Laura. »Man hat die Henker damals zwar nicht bei ihrem Namen genannt. Aber davon, dass man sie nicht zeichnen durfte, hab ich noch nie was gehört. Das sieht eher so aus, als hätte jemand ihn nachträglich ausradiert.«
    »Ausradiert?« Lukas sah die Schwester skeptisch an.

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