Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
waren nun höchstens ein paar Schritte von ihr entfernt, sodass sie den Streit Wort für Wort mitbekam.
»Ich weiß gar nicht, was du hast?« Die junge Frau klang weinerlich. »Immerhin haben wir das Grab doch entdeckt!«
»Ja, toll! Super!« Die Stimme ihres Freundes troff vor Hohn. »Wie konnte ich das nur vergessen!«
»Genau! Schließlich ist das eine archäologische Sensation ersten Ranges!«, rechtfertigte sich Rika. »Und glaub mir, die Laboranalysen werden mit Sicherheit bestätigen, dass es sich tatsächlich um das Grab von Sigbert dem Drachentöter handelt.«
»Dieser Drachentöter interessiert mich doch nicht die Bohne! Und unseren Finanzier noch weniger!«, blaffte Thomas. »Oder ist dir schon entfallen, womit ich den Typen heiß gemacht habe?«
»Nein, natürlich nicht.« Die Archäologin klang ziemlich kleinlaut, fast verzweifelt. »Aber…«
»Nichts aber!«, fuhr der Kerl ihr über den Mund. »Der hat die Kohle doch erst lockergemacht, als ich dieses Schwert erwähnt habe!«
»Ja, schon…«
»Da ist er doch erst so richtig hellhörig geworden und war plötzlich ganz wild darauf, dein Projekt zu finanzieren!«
»Ich weiß…«
»Und wo ist es, dieses Schwert, das du finden wolltest? War es vielleicht in dem beschissenen Grab, das wir die ganze verdammte Nacht über ausgebuddelt haben?«
»Thomas, bitte…«
Der Kerl schien sich so in Rage geredet zu haben, dass er nicht mehr zu bremsen war. »Nein, war es nicht! Dabei hast du immer behauptet, dass es mit Sicherheit da drin sein muss! Aber es ist weg! Verschwunden! Hat sich einfach in Luft aufgelöst, oder was?«
»Wie sollte ich das denn ahnen?«, warf Rika ein. »Zur damaligen Zeit wurden fast alle Krieger mit ihren Waffen bestattet.«
»Und warum war dieses Schwert dann nicht in seinem Grab?«
»Ich weiß es nicht, Thomas, wirklich nicht.« Rikas Stimme wurde sanfter. »Aber wir haben doch wenigstens die Schwertscheide entde – «
»Ach, verdammt, wen interessiert denn das blöde Teil!« Thomas wurde immer lauter. »Mich jedenfalls nicht – und diesen Geldheini mit Sicherheit auch nicht! Der ist doch nur hinter diesem gottverdammten Schwert her. Was machen wir denn, wenn er jetzt seine Kohle zurückhaben will? Denkst du vielleicht, ich gehe zu ihm und sage: Tut mir Leid, Verehrtester, wir haben das Schwert zwar nicht gefunden, aber machen Sie sich keine Sorgen, das wird schon noch. Da lacht sich dieser Lo-«
Das vielstimmige Krächzen, das in diesem Augenblick an Lauras Ohren drang, ließ sie erschrocken zusammenfahren. Es war so laut und so nahe, dass ihr Herzschlag aus dem Takt zu geraten drohte.
Im Innern des Zeltes war es augenblicklich still geworden.
Noch bevor das Mädchen sich umdrehte, wusste es, welcher Anblick es erwartete: Die Wipfel der Bäume, die sich hinter dem Bretterzaun erhoben, waren schwarz vor Krähen, die jeden Moment anzugreifen drohten.
Wie gebannt blickte Laura auf die Totenvögel. Die Furcht vor ihnen lähmte sie, sodass sie wie festgewurzelt auf der Stelle verharrte. Erst als sie spürte, dass jemand unmittelbar hinter ihr stand, löste sie sich aus ihrer Erstarrung. Aber da war es bereits zu spät, denn eine Hand legte sich auf ihre Schulter.
M alhiermalda war ziemlich übler Laune. Seit Tagen wanderte er nun schon im Zickzackkurs durch die Lande, mal nach hier, mal nach da gewandt, ganz wie es dem Wesen der Mutari entsprach, deren Volk er angehörte. Kein Wunder, dass Malhiermalda seinem Reiseziel nur mühsam näher gekommen war. »Oh, oh«, brabbelte er unablässig vor sich hin, während er bald nach links, bald nach rechts hüpfte. »Wo soll das nur enden, wo soll das nur enden?«
Die Mutari, die in manchen Gegenden auch »Platzwechsler« genannt wurden, waren entfernte Verwandte der Levatoren. Ähnlich wie diese lebten sie als einzelgängerische Nomaden, die es nie lange an Ort und Stelle hielt. In Ermangelung von Gesprächspartnern pflegten sie ständig mit sich selbst zu reden, was ihnen jedoch nicht bewusst war. Gelegentlich jedoch suchten sie die Gesellschaft anderer Wesen, und so hatte Malhiermalda bereits vor einiger Zeit beschlossen, den Traumspinnern im Traumwald wieder einmal einen Besuch abzustatten. Mit Meister Orplid verband ihn eine enge Freundschaft, und er war ein gern gesehener Gast in dessen Haus. Allerdings hatte es eine gewisse Zeit gedauert, bis insbesondere Madame Fantasa sich daran gewöhnt hatte, dass Malhiermalda ständig seinen Platz zu wechseln pflegte. Wovon er
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