Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
dass es sich bei dem Ball um einen Kopf handelte. Der Rumpf, an dem sechs Sprungbeine und zwei Arme saßen, war im Vergleich dazu so winzig, dass er ihm beim ersten Anblick gar nicht aufgefallen war. Der Knappe sperrte den Mund auf vor Staunen. »Wer bist du denn?«, fragte er.
»Oh, oh«, antwortete das Männchen mit einem Knicks, bevor es nach links und nach rechts sprang und danach umgekehrt. »Malhiermalda werde ich genannt.«
»Malhiermalda? Was für ein seltsamer Name!«
»Findest du?« Die winzigen Augen in dem blauen Ballon blinzelten verwundert. »Für einen Platzwechsler ist er genauso normal wie Zweischrittvorzweizurück zum Beispiel oder Hüpf-malhinhüpfmalher, um nur die gebräuchlichsten unserer Namen zu erwähnen.«
Der Junge schüttelte nur stumm den Kopf.
»Oh, oh«, fuhr der Platzwechsler fort, während er auf Alarik zusprang und dann wieder zurück. »Du bist meinesgleichen wohl noch nie begegnet und auch nie zuvor im Dämmerwald gewesen?«
»Im Dämmerwald?«, wiederholte der Junge mit staunendem Blick. Ihm wurde fast schwindelig angesichts des springenden Irrwischs.
»Ja, ja. Sonst hättest du bestimmt gewusst, dass man den Schlingfarnen nicht zu nahe kommen darf!«
Alariks Augen wurden noch größer. »Den Schlingfarnen?«
»Ja. Sie ernähren sich von Lebewesen und verschlingen alles, was sie mit ihren Wedeln packen können.« Malhiermalda hüpfte auf die Farne zu und wieder zurück. »Oh, oh! Sie müssen ganz schön ausgehungert sein, dass sie sich diese alte Decke einverleibt haben.«
Der Knappe zog ein grimmiges Gesicht. »Kannst du nicht endlich mal still stehen?«
»Geht nicht.« Der Platzwechsler sprang auf und ab. »Es liegt nun mal in der Natur der Mutari, dass wir keinen festen Standpunkt einnehmen können. Erzähl mir lieber, was dich in den Dämmerwald führt.«
»Eigentlich nichts.« Alarik kratzte sich am Kopf. »Ich habe mich hierher verirrt. Mein Ziel sind die Traumspinner im Traumwald.«
»Oh, oh!« Malhiermalda hüpfte noch aufgeregter herum. »Übel, sehr übel! Auf diesem Weg wirst du niemals dorthin gelangen.«
»Was du nicht sagst!«, brummte der Knappe missmutig. »Dann willst du also behaupten, dass du dich hier auskennst, was?«
»Genau, genau! Dieser Pfad hier führt nämlich… Oh, oh! Übel, übel!« Zum ersten Male verharrte der Platzspinner an Ort und Stelle, wenn auch nur für einige Augenblicke. »… geradewegs zu dem verwunschenen Dschungel, in dem diese Bestie ihr Unwesen treibt – die Silberne Sphinx!«
R ika Reval stürmte in das Zelt und eilte auf Thomas Zachner zu, der hinter seinem improvisierten Schreibtisch saß und über einige Papiere gebeugt war. »Was soll der Quatsch?«, fuhr sie ihn wütend an. »Wie kannst du dir anmaßen anzuordnen, dass die Suche nach dem Schwert abgebrochen wird?«
Der junge Mann hob den Kopf. »Das ist nicht korrekt«, sagte er vorwurfsvoll. »Ich habe lediglich angeordnet, die Suche hier abzubrechen!«
»Wie bitte?« Die junge Frau schien verwirrt zu sein. »Warum das denn?«
Thomas erhob sich, ging zum offen stehenden Zelteingang und zog die Plane sorgfältig zu, bevor er wieder zu seiner Freundin trat. »Weil wir hier nichts finden werden – deshalb, verdammt noch mal!«, erklärte er eindringlich. »Weißt du, warum du das Schwert nicht in Sigberts Grab gefunden hast, obwohl du fest davon überzeugt warst? Ich will es dir sagen, Rika: weil die Teile ganz woanders versteckt sind. Auf Ravenstein nämlich!«
»Was?« Die Archäologin lächelte ungläubig. »Wie kommst du denn auf diesen Unsinn?«
Thomas Zachner schnaubte beleidigt. »Das ist kein Unsinn! Ganz im Gegenteil: Es gibt sogar ziemlich konkrete Hinweise darauf, die wir nicht ignorieren sollten. Deshalb habe ich angeordnet, die Grabungen hier einzustellen und nach Ravenstein umzuziehen!«
»Welche Hinweise denn?«
Aufmerksam lauschte die Archäologin den Worten ihres Freundes. Als Thomas geendet hatte, schüttelte sie ungläubig den Kopf. »Das kann doch nicht dein Ernst sein? Weißt du, wie sich das anhört? Wie eine Passage aus einem Abenteuerroman. Woher hast du diese Informationen überhaupt?«
»Von unserem Finanzier. Er behauptet, dass sie verlässlich sind, und erwartet, dass wir ihnen unverzüglich nachgehen.«
Rika schüttelte den Kopf. »Alles was recht ist, Thomas, aber da mach ich nicht mit. Er kann diese abstruse Geschichte ja gerne glauben, wenn er will, aber ohne mich! So was hat doch mit seriöser wissenschaftlicher
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