Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
als strahle das Foto eine seltsame Ruhe aus, die sich auf sie übertrug. Der Gedankenwirbel in ihrem Kopf verflüchtigte sich, und eine sanfte Gelassenheit stieg in ihr auf.
»Erst spät habe ich gemerkt, dass kein Widerspruch zwischen dir und deiner Aufgabe bestehen muss. Sie ist ein Teil von dir. Du kannst nur du selbst werden, wenn du sie auch annimmst und alles dafür tust, um sie zu erfüllen. Nur dann kannst du zu deinem wahren Selbst finden. Denke immer daran, Laura. Wenn du zaghaft wirst, zum Beispiel, oder wenn du den Mut verlierst und mit deinem Schicksal haderst wie jetzt. Die Aufgabe, das bist du selbst! Also nimm sie an, und stelle dich ihr, so wie das schon unzählige Generationen von Wächtern vor dir getan haben. Unterbrich die Kette nicht, die vom Anfang bis zum Ende aller Zeiten für die Kraft des Lichts geschmiedet wurde, denn sonst werden die Mächte der Dunkelheit die Oberhand gewinnen und das Ewige Nichts die Herrschaft erlangen.« Noch einmal lächelte Anna Leander ihrer Tochter liebevoll zu. Dann erstarrten ihre Gesichtszüge, und alles auf dem Foto sah wieder ganz genauso aus wie zuvor.
Laura atmete tief durch. Die Worte der Mutter hatten ihr aufgewühltes Gemüt besänftigt. Anna hatte ja so Recht! Sie, Laura, war doch nicht die Einzige auf der Welt, die im Dienste des Lichts stand. Auch ihr Vater und die vorangehenden Generationen hatten ihre Aufgabe angenommen und sich der guten Sache nicht verweigert. Ihre Großmutter war sogar ebenso im Zeichen der Dreizehn geboren wie sie selbst und hatte deshalb nicht nur ihre fantastischen Fähigkeiten an ihre Enkeltochter weitergegeben, sondern auch das Rad der Zeit. Dieses kostbare Amulett aus purem Gold, von dem nur zwei Exemplare existierten. Zu Anbeginn der Welten waren sie von Lichtalben aus dem gleichen Gold geschmiedet worden, aus dem auch der Kelch der Erleuchtung gefertigt war. Eines davon befand sich im Besitz von Elysion, das andere war vor undenklichen Zeiten auf den Menschenstern gebracht worden. Über unzählige Generation hatten es die Wächter, die im Zeichen der Dreizehn geboren waren, an ihresgleichen weitergereicht. Auf diese Weise war es schließlich auch in Lauras Hände gelangt, bis sie es in der Nacht zu ihrem dreizehnten Geburtstag durch unglückliche Umstände an Syrin, die unheimliche Gestaltwandlerin im Dienste des Schwarzen Fürsten, verloren hatte. Seitdem trug diese es stolz um den Hals, wie Laura auf einer Traumreise nach Aventerra zu ihrem großen Entsetzen hatte feststellen müssen. Die schwarzen Kräfte der unheimlichen Frau waren dank des wertvollen Artefakts nur noch gestärkt worden. Laura dagegen war nichts weiter geblieben als das Kästchen, das seit unzähligen Generationen zur Aufbewahrung des Amuletts diente.
Da fuhr Laura wie von einem Katapult geschleudert hoch und starrte geistesabwesend vor sich hin.
Minzi zuckte zurück und verkroch sich unter Kajas Bett. Offensichtlich hatte Lauras plötzliche Bewegung ihr einen Mordsschrecken eingejagt.
In diesem Moment trat Kaja in das Zimmer, ihre Rollerblades über der Schulter. Als sie die wie zu einer Salzsäule erstarrte Freundin erblickte, blieb sie überrascht stehen. »Was ist denn los?«, fragte sie. »Was hast du denn, Laura?«
Endlich kam wieder Leben in das Mädchen. Wie ein beutehungriger Falke stürzte Laura auf ihren Kleiderschrank zu. »Schick Lukas ‘ne SMS«, herrschte sie Kaja an. »Er soll sofort herkommen!« Dann riss sie die Schranktür auf und begann wie im Fieber in einer Schublade zu wühlen.
Lukas machte nicht gerade ein begeistertes Gesicht, als er wenig später in das Zimmer der Mädchen trat. »Ich hoffe, es ist wichtig!«, maulte er. »Im Sciene-Forum läuft nämlich gerade ein Internet-Chat mit Stephen Hawking, an dem ich wahnsinnig gerne teilnehmen wollte. Also, was gibt’s?«
Laura tauschte einen verschwörerischen Blick mit Kaja, die Minzi auf dem Arm hielt, und strahlte dann den Bruder an, als habe sie eben eine Goldmedaille im Fechten gewonnen. »Das hier ist los!«, sagte sie und hielt Lukas ein Holzkästchen entgegen. Es maß etwa dreizehn mal neunzehn Zentimeter bei einer Höhe von rund drei Zentimetern. Der Junge hob verwundert den Kopf. »Das Schmuckkästchen, in dem Papa das Rad der Zeit für dich aufbewahrt hat,« sagte er. »Na, und? Was soll ich damit?«
»Schau es dir doch mal genauer an.« Immer noch lächelnd, drückte Laura ihm das Behältnis in die Hand. »Dann wirst du sofort kapieren, was ich
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