Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
ziemlich netter Kerl ist. So eine Gemeinheit traue ich ihm einfach nicht zu.«
»Bei Kevin damals hast du das auch nicht gedacht, oder?«
»Schon.« Lukas schnitt eine verlegene Grimasse. »Aber da lag die Sache ganz anders. Außerdem habe ich den nicht so lange gekannt wie Mr. Cool. Den kenne ich doch schon seit Jahren.«
»Ich auch«, brummte Laura. »Zumindest habe ich das geglaubt.«
»Außerdem«, fuhr der Bruder bedächtig fort, »kannst du doch ganz leicht nachprüfen, ob er die Wahrheit sagt oder nicht.«
Laura war perplex. »Wie denn?«
Ein wissendes Grinsen spielte um die Lippen des Jungen. »Hast du seine SMS gelöscht?«
»Ja.« Sie hatte schließlich unter allen Umständen verhindern wollen, dass die Freundin von der Verabredung Wind bekam. Bei Kajas Neugier konnte man ja nicht ausschließen, dass sie ab und an einen Blick auf fremde Handys warf.
»Schade.« Lukas machte ein enttäuschtes Gesicht. »Sonst hättest du nämlich sehen können, ob die Nachricht tatsächlich von Philipps Handy abgeschickt worden ist. Denn anders als bei einem Anruf kann der Absender bei einer SMS seine Rufnummer nicht unterdrücken. Sie erscheint immer im Displays des Empfängers und wird auch gespeichert – vorausgesetzt, der ist nicht so bescheuert und löscht sie!«
Der Gedanke, dass sie Philipp vielleicht doch Unrecht getan hatte, ließ Laura nicht mehr los. Obwohl Kaja mit aller Macht versuchte, sie zum Skaten zu überreden, blieb sie am Nachmittag auf dem Zimmer. Außerdem gingen ihr immer wieder Bertruns Hinweise durch den Kopf, die sie noch nicht vollständig gelöst hatten. Gut – wenn Rika Wort hielt, dann war das vielleicht nicht so wichtig. Andererseits musste es doch eine Erklärung für dieses merkwürdige Labyrinth geben, das sie auf dem Gemälde versteckt hatte.
Der Eintrag unter net-lexikon.de half ihr aber nicht weiter. »Das Labyrinth bezeichnet den Weg eines Individuums nach innen, zu sich selbst und wieder zurück in die Welt«, las Laura vom Monitor ab. »Dieser Weg führt den Suchenden in schwierige Situationen… aber nichts geschieht ohne Sinn, jede Begegnung enthält eine Lernaufgabe.« Und weiter: »Bleibt er bei der Sache, lässt sich nicht beirren und kehrt nicht um, so führt ihn der eingeschlagene Weg irgendwann zum Zentrum -zur eigenen Mitte und zur Quelle der eigenen Kraft oder der Erde.«
Hä?
Laura rümpfte die Nase. Musste man das verstehen?
Eher nicht!
Resigniert schaltete sie den Computer aus, setzte sich auf ihr Bett, nahm Minzi auf den Schoß und grübelte vor sich hin.
Warum hatte sie es denn so schwer? Warum konnte sie nicht einfach sein wie andere Mädchen? Warum musste sie sich mit einer Aufgabe herumschlagen, die schon für einen Erwachsenen kaum lösbar war? Wofür machte sie das eigentlich? Was war der Lohn für ihre Mühe?
Dass Einzige, was dabei herauskam, war, dass sie die Schule vernachlässigte. Und dass sie anderen, völlig Unschuldigen, die übelsten Sachen zutraute.
Wie Philipp zum Beispiel!
Vielleicht hatte Lukas ja Recht. Vielleicht hatte Mr. Cool die SMS gar nicht geschickt. Vielleicht war den Dunklen wie so vielen anderen aufgefallen, wie nett sie Philipp fand – und sie hatten das eiskalt für ihre Zwecke ausgenutzt.
Wäre doch möglich, oder?
Sollte das denn immer so weitergehen?
Sollte diese große Aufgabe ihr gesamtes Leben bestimmen, sodass sie für andere Dinge gar keine Zeit mehr fand?
Nicht einmal für sich selbst?
War sie denn nicht wichtiger als dieses Schwert? Wichtiger als der Kelch der Erleuchtung? Oder sogar die Sache des Lichts?
»Ich verstehe dich nur zu gut, Laura«, sagte da eine Stimme. »Mama!« Laura drehte den Kopf und blickte auf Annas Porträtfoto, das schräg über ihr an der Wand hing.
Die blonde Frau, die wie eine ältere Ausgabe von Laura aussah, schaute sie mit sanftem Lächeln an.
»Du weißt, wie ich mich fühle, Mama?« Laura legte ihre Hand auf das Foto und meinte menschliche Wärme durch das Glas zu spüren.
»Selbstverständlich. Mir sind die gleichen Gedanken durch den Kopf gegangen, als ich so alt war wie du. Und später natürlich auch noch. Ich habe mich auch gefragt, was wichtiger ist: die Aufgabe, die einem übertragen wurde und für die es sich zu kämpfen lohnt, weil wir die Welt so ein Stückchen besser machen können, oder wir selbst.«
»Obwohl du kein Wächter warst?«
»Ja, Laura. Jeder Mensch stellt irgendwann seine Pflichten infrage.«
Ein Lächeln legte sich auf Lauras Gesicht. Es war,
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